cpo 777 418-2
1 CD • 63min • 2008
02.05.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Noch keine 38 Jahre alt war die kroatisch-ungarische Comtesse, als sie – inzwischen Ehefrau eines österreichischen Offiziers namens Ottomar von Lumbe – nach der Geburt ihres ersten Kindes in München an einem Nierenversagen starb. Losgelöst von der privat-familiären Tragik eines solch frühen Todes wären der aus vornehmem Hause stammenden Schönheit ein paar weitere Schaffensjahrzehnte zu wünschen gewesen, jedenfalls nach dem Eindruck zu urteilen, den sie hier mit ihrer 1920 in Dresden uraufgeführten fis-Moll-Sinfonie und der 1919 entstandenen Fantasie für Klavier und Orchester hinterläßt. Ihr Œuvre beläuft sich, so lesen wir in der konzisen, informativen und recht gut übersetzten Einführung, auf knapp sechzig Stücke, und wenn auch nur einiges das Niveau der beiden hier veröffentlichten Kompositionen erreicht, wäre das schon ein Zugewinn.
Mein alter Lehrer, der unverwüstliche Guido von Leckrahm („Frauen können nicht komponieren“), würde freilich wieder Gift und Galle speien gegen solches Lob und legte, gewiß nicht ganz zu Unrecht, seinen Finger auf eine chronische, keinesfalls „weibliche“ Schwäche insbesondere der sinfonischen Sätze: Die starke Begabung und vernehmliche Persönlichkeit, die unbestreitbar vorhanden sind, prallen im Kopfsatz, im Andante sostenuto und im Finale immer dort an die Klippen, wo sie sich zu sehr dem Zwang zur konventionellen Materialverarbeitung glauben beugen zu müssen. Anstatt zu verführen, wie das namentlich der zweite Satz mit seinen herrlich instrumentierten „Modalitäten“ tut, anstatt ihrem Temperament die Zügel schießen zu lassen wie in dem zwischendurch fast jazzig loslegenden Hauptthema des Finales oder, mehr noch, in dem köstlichen Scherzo, das so klingt, als habe Rachmaninoff einmal wie Bruckner schreiben wollen – anstatt also ihre außerordentlichen Stärken an der überraschenden Reihung auszuleben, will Dora Pejacevic dort, wo’s die Regeln vorschreiben, ihre Motive kombinatorisch durchführen, und das hätte sie besser nicht getan. Da perforiert sie etwa im Allegro con moto des ersten Satzes die fesselnden Einfälle mit kurzen, stereotypen Bläserfigürchen, die zwar thematisch begründet, nicht aber dramaturgisch nötig sind; da verzettelt sich im Andante ihr kraft- und schwungvoller Federstrich bei der Vivisektion ihrer prächtigen Kantilenen; und da schnurren die Synkopen des an sich fabelhaft konzipierten Allegro appassionato wie kleine Uhrwerkfeder los, die aber nichts anzutreiben haben und Ari Rasilainen vor gewisse Differenzierungsprobleme stellten.
Das hätten möglicherweise spätere Revisionen beheben können. Und vielleicht hätte die Komponistin auch im berstenden, vollgriffigen Klaviersatz ihrer Fantasie noch das eine oder andere ausgebürstet, ohne dass der Substanz des kernigen, explosiven Stückes ein Tort geschehen wäre. Doch angesichts der verkürzten Lebensgeschichte müssen wir’s nehmen, wie’s hinterlassen wurde. Und es sei noch einmal gesagt: Der Gesamteindruck ist in jedem Fall ein nachhaltiger und von solcher Art, dass man sich bedenkenlos die eine oder andere Kreation – beispielsweise das Klavierkonzert oder die „späte“ Klaviersonate, von denen im Beiheft gesprochen wird – als Fortsetzung dieser verheißungsvollen Publikation wünschen kann.
Rasmus van Rijn [02.05.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dora Pejačević | ||
1 | Sinfonie fis-Moll op. 41 | 00:47:36 |
5 | Phantasie Concertante d-Moll op. 48 | 00:14:49 |
Interpreten der Einspielung
- Volker Banfield (Klavier)
- Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz (Orchester)
- Ari Rasilainen (Dirigent)