Wilhelm Middelschulte Organ Works Vol. 4 Bach - Goldberg-Variationen
cpo 777 215-2
2 CD • 1h 41min • 2005
08.06.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das kompositorische Werk Wilhelm Middelschultes (1863–1943), dessen Kompositionen für Orgel derzeit von Jürgen Sonnentheil in einer höchst lobenswerten Reihe bei cpo vorgelegt werden, ist auf das Engste mit der Musik Johann Sebastian Bachs verknüpft. Die bislang erschienenen Teile der Gesamteinspielung brachten einige echte Entdeckungen wie zum Beispiel Middelschultes geradezu kuriose Bearbeitung der Bach’schen Toccata und Fuge d-Moll für Orgel und Klavier, aber nicht zuletzt auch eben viel an genuiner Musik Middelschultes. Die vorliegende neue Folge 4 stellt Middelschultes hochinteressante, so originelle wie behutsame Bearbeitung der Goldberg-Variationen für Orgel vor; behutsam ist sie, weil sie – im Gegensatz zu dem Arrangement des Middelschulte-Freunds Busoni – die Faktur weitestgehend unangetastet läßt, originell, weil Middelschulte die Möglichkeiten der modernen Konzertorgel, die er selber herausragend spielte, voll ausschöpft.
Zwar hielt sich Middelschulte in puncto Dynamik zurück, wie der erneut exzellente Beiheft-Text Hans-Dieter Meyers ausführt; am Raffinement der Registrierungen hat er jedoch nicht gespart, und so holt das Arrangement ein geradezu sinfonisches Spektrum an Dynamik und Farbgebungen heraus. Damit kann die Bearbeitung des so virtuosen Organisten wie versierten Komponisten Middelschulte auch einem Vergleich mit den besten Versionen für Klavierinstrumente standhalten. Zwar stellt sich, besonders im Vergleich mit Glenn Goulds unvergleichlich dynamischer später Einspielung auf dem Konzertflügel, auf’s Ganze gehört, ein wenig der Eindruck der Statik ein; viele Variationen wirken doch sehr gesetzt, bedächtig, die kontrapunktisch gestalteten Stimmen werden eher ruhig vorgeführt statt in ein lebendiges, reaktives Spiel zueinander versetzt. Doch was dem Kircheninstrument gegenüber dem Kammerinstrument an Flexibilität verlorengeht, wird durch die räumliche Auffächerung der Polyphonie mehr als wettgemacht; die Gerald Woehl-Orgel von St. Petrus Canisius, Friedrichshafen, ist zudem von der Aufnahmetechnik sehr transparent und nicht zu direkt abgebildet worden.
Für die Kompetenz des Middelschulte-Herausgebers und Interpreten Jürgen Sonnentheil spricht zudem, daß dieser – entgegen Busonis Empfehlung übrigens – die Wiederholungen ausspielt, innerhalb dieser jedoch die hochinteressanten Zusätze und Änderungen berücksichtigt, die Middelschulte in sein Handexemplar eingetragen hatte, und damit zu einer ungeahnten Modifikation der Musik beiträgt. Dies ist eine CD, die der modernen Bach-Rezeption eine wirklich schillernde Facette hinzufügt und die zugleich künstlerisch begeisternd gelungen ist.
Prof. Michael B. Weiß [08.06.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
0 | Goldberg Variations BWV 988 |
Interpreten der Einspielung
- Jürgen Sonnentheil (Orgel)