
Marco Polo 8.225312-13
2 CD • 1h 35min • 2003
07.11.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Daß der Nachruhm des lange Zeit erfolgreichen Komponisten Walter Braunfels (1882–1954) bescheiden geblieben ist, hat vor allem historische Ursachen. Aus einer jüdischen Familie stammend und später zum katholischen Glauben konvertiert, wurde er erst von den Nazis verboten, dann nach dem Kriege, in Zeiten einer aufbrechenden Avantgarde, als „démodé“ abgetan. Seine Oper Die Vögel nach Aristophanes hat seither vereinzelte Aufführungen (Karlsruhe, Bremen) und eine Schallplatten-Produktion in der Decca-Reihe „Entartete Musik“ erlebt. Dagegen wurde die 1909 uraufgeführte, 20 Jahre später noch einmal überarbeitete Prinzessin Brambilla hier vor einem halben Jahrhundert zuletzt gespielt. Das Wexford Festival hat sie im vergangenen Jahr wieder ausgegraben, dabei soll sich den Kritiken zufolge die Lebensfähigkeit des Werkes erneut unter Beweis gestellt haben. Der jetzt beim Schatzgräber-Label Marco Polo veröffentlichte Mitschnitt dieser Aufführung könnte auch bei deutschen Theatermachern erneutes Interesse wecken.
Der literarisch hochgebildete Braunfels, zugleich sein eigener Librettist, greift auf E.T.A. Hoffmanns gleichnamige Erzählung zurück, ein Capriccio nach Kupferstichen von Jacques Callot. Dabei reduziert er die schillernde Handlung auf einen einzigen, operngerechten Plot: Der Schauspieler Claudio verläßt seine Freundin, die Näherin Giacinta, um die geheimnisvolle Prinzessin Brambilla zu erobern und erkennt am Ende des Maskentreibens beim römischen Karneval in dieser niemand anderen als eben Giacinta.
Wie die meisten Komponisten seiner Generation hatte Braunfels, ein Schüler Ludwig Thuilles, das Problem, aus dem Schatten Richard Wagners herauszutreten, ohne zugleich das spätromantische Erbe zu verleugnen. Das musikalische Ergebnis dieses künstlerischen Emanzipationsprozesses klingt wie eine Mixtur aus Humperdinck und Wolf-Ferrari: Schwelgerisches sinfonisches Fließen wechselt mit graziös-tänzerischen Impressionen in italienischer Manier. Das Orchester erzählt, die handelnden Personen ergehen sich in melodiösem Sprechgesang. Geschlossene Nummern, gar Arien, gibt es nicht.
Daniele Belardinelli hält die Krakauer Philharmoniker zu großer Akkuratesse und fein ausdifferenziertem Spiel an, der Orchestersatz bleibt immer transparent und die Sänger können sich entfalten, ohne zu forcieren. Ein sympathisches junges Ensemble steht auf der Bühne – vielversprechende Talente aus Italien, Russland, England, Spanien, der deutsche Bariton Peter Paul singt den Prinzen. Wie schon bei den Drei Pintos vom Vorjahr geht diese erfreuliche Internationalität auf Kosten der Textdeutlichkeit. Besonders die Giacinta von Elena Lo Forte ist kaum zu verstehen. Da Marco Polo im Booklet den Text nicht mitliefert, ist die Phantasie des Hörers stark gefordert.
Ekkehard Pluta [07.11.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Walter Braunfels | ||
1 | Prinzessin Brambilla (Oper in einem Prolog und fünf Szenen) |
Interpreten der Einspielung
- Enrico Marabelli (Pantalone - Bariton)
- Peter Paul (Prinz Bastianello di Pistoja - Bariton)
- Eric Shaw (Claudio, ein Schauspieler - Tenor)
- Elena Lo Forte (Giazinta, eine Näherin - Sopran)
- Ekaterina Gubanova (Barbara - Mezzosopran)
- Vincenc Esteve (Gascon - Tenor)
- Alessandro Svab (Brutz - Baß)
- Ricardo Massi (Buffel - Tenor)
- Stewart Kempster (Cuniberto - Baß)
- Kim Sheehan (Ein junges Mädchen - Sopran)
- Wexford Festival Opera Chorus (Chor)
- Philharmonisches Orchester Krakau (Orchester)
- Daniele Belardinelli (Dirigent)