Heinrich Ignaz Biber Violin Sonatas from the Kremsier Archive
cpo 777 124-2
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2004
04.07.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Neben der gedruckten Sammlung von 1681 sind die handschriftlich überlieferten Violinsonaten immens wichtig, um der herausragenden Stellung Bibers gerecht zu werden. Hierbei spielt der Zufall eine nicht unerhebliche Rolle: So sind die Rosenkranzsonaten, die heute als eines von Bibers Hauptwerken gelten, in nur einem Exemplar erhalten. In Wien und Kremsier (der mährischen Sommerresidenz des Olmützer Bischofs) finden sich weitere Sonaten, die den jungen Biber als sehr selbstbewußten Komponisten zeigen, der keine technischen Hürden zu scheuen scheint. Von diesen Werken hat Anton Steck die Sonaten in D-Dur und E-Dur (letztere ist vielleicht das eindrucksvollste Stück) sowie die D-Dur-Chaconne ausgewählt. Hinzu kommen zwei Sonaten in g-Moll bzw. B-Dur, deren Urheberschaft nicht gesichert ist, die aber einen Vergleich mit zweifelfreien Biber-Werken aushalten. Mehr als eine Zugabe ist schließlich die einzige Violinsonate, die von Muffat bekannt ist: In ihrer symmetrischen Anlage ist sie ein Musterbeispiel barocker Klangarchitektur, die enharmonischen Wechsel im zentralen Adagio zeugen von einer ungeheuren Kühnheit und man kann vermuten, daß Muffat dieses Stück für Biber, zumindest aber unter seinem Einfluß geschrieben hat.
Von Selbstbewußtsein und Kühnheit war schon die Rede, und diese Aspekte scheinen nun Anton Steck dazu veranlaßt zu haben, alle Grenzen zu sprengen. Indes wirkt das klangliche Ergebnis nicht selbstbewußt, sondern verkrampft ehrgeizig. Mit Brachialgewalt peitscht er durch die Passacaglia der c-Moll-Sonate aus dem 1681er-Druck, so daß man ihm kaum folgen kann, und sein permanentes, intensives und überaus nervöses Vibrato erinnert nicht an das natürliche Schwingen einer gut ausgebildeten Stimme, sondern an die Niederungen von Kaffeehausmusik. Hier scheint es nicht um die Musik zu gehen, sondern darum, sich selbst in Szene zu setzen. Auf der Strecke bleibt dabei Heinrich Ignaz Biber. Da können Christian Rieger, Lee Santana und Hille Perl nur wenig retten.
Daß es auch anders geht, hat – nach mustergültigen Einspielungen von François Fernandez (Ricercar 082066) und Ryo Terakado (Denon 78946) – unlängst John Holloway mit einer ähnlichen Auswahl von Stücken bewiesen (ECM 1791): Bei ihm atmet die Musik, bei ihm gibt es unzählige Farbnuancen, bei ihm steht die virtuose Geläufigkeit immer im Dienst einer gestenreichen Rhetorik mit musikalischen Inhalten. Was Anton Steck zu oberflächlichen Artistenstückchen verkommen läßt, erhält bei John Holloway einen tiefen Sinn und eine ehrliche, reife, nicht zur Schau gestellte Emotionalität.
Theodor Schliehen [04.07.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
1 | Sonata in c (1681) | |
2 | Sonata in D A 600/IV:174 | |
3 | Sonata in E (Archiv des Minoritenkonvents, Wien) | |
4 | Sonata in g A 572/IV:136 | |
5 | Sonata in B A 572/IV:136 | |
6 | Ciacona in D (Archiv Kremsier) | |
Georg Muffat | ||
7 | Sonata D-Dur für Violine und B.c. |
Interpreten der Einspielung
- Anton Steck (Violine)
- Christian Rieger (Cembalo, Orgel)
- Lee Santana (Erzlaute, Chitarrone)
- Hille Perl (Viola da gamba)