Testament SBT2 1363
2 CD • 1h 52min • 1963
14.10.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Diese Einspielung stammt aus dem Jahre 1963 und ist im besten Sinne des Wortes als „historisch“ einzustufen. So erschien sie vor nunmehr 41 Jahren nicht nur äußerlich in einer luxuriös ausgestatteten Langspielplatten-Kassette, sondern wurde aufgrund ihres künstlerischen Wertes auch mit dem „Grand Prix du Disque“, dem ersten in der Biographie des Dirigenten, ausgezeichnet. Daß ein solcher Meilenstein in der Karriere des 2002 verstorbenen Generalmusikdirektors Wand jetzt eine Wiederbelebung dank des englischen Labels Testament erfährt, ist eine verdienstvolle Bereicherung des aktuellen CD-Angebotes. Dennoch ist eine gewisse Vorsicht in der Beurteilung dieser dokumentierten Rückbesinnung geboten, denn naturgemäß hat selbst eine solche Vorzeige-Interpretation der Vergangenheit vor allem in aufnahmetechnischer Hinsicht manche Patina angesetzt.
Man erinnert sich: Die Serienreife des stereophonen Aufnahme- und Wiedergabeverfahrens war 1963 noch relativ jung. Entsprechend entwicklungsbedürftig war auch der technische Standard. Vorrangig galt dies für die Klangregie in Abhängigkeit von der Qualität der Studio-Ausrüstung und die Rücksichtnahme bei der komplizierten Übertragung der Tonbandaufzeichnungen auf den Gravierstichel zum „Schneiden“ der Mikrorillen in die Lackfolie. Auch der galvanische Prozeß zur Herstellung einer Preßmatrize und schließlich die Wahl einer rauscharmen und knisterfreien Kunststoffmasse für das Endprodukt waren bereits bei der Schallaufzeichnung einzukalkulieren. Nicht zuletzt mußten das gefürchtete Klirren und die Gefahr von Verzerrungen durch hohe Rillenauslenkungen der Platte von vornherein vermieden werden. Eine damals gute Erfindung, leider mit einschränkenden Folgen für die Interpretation klassischer Werke, war die Kompression der Dynamik.
Dies vorausgesetzt hat der Klangregisseur – „digitally remastered by Paul Baily“ – des hier vorliegenden Archivmaterials das Beste getan. Unabhängig davon bleibt die Problematik der Klangbalance bei einer oratorischen Großbesetzung, wie sie Haydns Schöpfung erfordert, bestehen. Als künstlerische Konsequenz führt dies bis weit in die Gegenwart hinein zu einer den Tonmeistern anvertrauten Hervorhebung von Solopartien. Für so manche Klarinetten- und Flötenstelle bedeutet dies hier eine gewisse Übertreibung, die sich kaum nahtlos auf das Wunschdenken des Dirigenten übertragen läßt. Ein gutes Hörbeispiel ist etwa die Arie des Gabriel Auf starkem Fittiche schwinget sich der Adler stolz (CD 2, Track 2). Auch der nahezu entdynamisierte Lautstärkepegel des Orchesterklanges im Verhältnis zu den Solisten und mehr noch zum Chor lassen nur wenig von der äußerst raffinierten Differenzierungskunst des späteren, großen Bruckner-Interpreten Günter Wand erkennen.
Ausnahme ist die großartige Chaos-Vision Haydns als Orchester-"Solo" mit dem berühmten C-Dur-fortissimo-Akkord Es werde Licht!. Hervorragend dokumentiert ist auch die Vortragskultur der zu voller Reife entfalteten, damals „jugendlichen“ Gesangstars Jeanette van Dijck in den Partien des Gabriel und der Eva, Peter Schreier als Uriel und Theo Adam als Raphael und in der Rolle seines eigenen, biblischen Namensvetters. Selbst die Einbuße am Obertonspektrum im Gegensatz zur heutigen Digitaltechnik – die man bei deren Einführung als „kalt“ und „gläsern“ empfand – zeugen von der meisterhaft beherrschten Textartikulation im Verbund mit sängerischer Gestaltungskunst. Daß sich der Chor in diesem kolossalen Schöpfungsgemälde im Gehege der Multimikrophonie eher als Klangkulisse wiederfindet, ist ein Tribut an die konventionelle Studiopraxis. Aus der (posthumen) Sicht des Dirigenten dürfte diese preisgekrönte Einspielung daher mehr ein Dokument und weniger ein „Testament“ sein.
Dr. Gerhard Pätzig [14.10.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Die Schöpfung Hob. XXI:2 |
Interpreten der Einspielung
- Jeannette van Dijck (Sopran)
- Peter Schreier (Tenor)
- Theo Adam (Bass)
- Gürzenich-Orchester Köln (Orchester)
- Günter Wand (Dirigent)