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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Wettstreit der Nationen

Finale Klavier beim ARD-Musikwettbewerb 2022

Das Finale im Fach Klavier des 71. Internationalen Musikwettbewerbs der ARD war, national gesehen, ein Wettkampf zwischen Südkorea, Österreich und Deutschland – obwohl alle in Deutschland studieren. In der Programmwahl war es ein Nationenwettstreit zwischen Österreich/Deutschland und Russland: Auf dem Programm standen zwei vierte Klavierkonzerte, das von Beethoven und das von Rachmaninow – eine eher unglückliche Wahl, denn Beethoven gewinnt da eigentlich immer.

Begleitet vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Joshua Weilerstein stellten sich Junhyung Kim (25, Südkorea), Johannes Obermeier (24, Deutschland) und Lukas Sternath (21, Österreich) dem Urteil der siebenköpfigen Jury und dem zahlreich erschienen Publikum im Herkulessaal der Münchner Residenz. Das Publikum durfte am Schluss für den Publikumspreis votieren – mit allen Vor- und Nachteilen an vorurteilsbehafteter Sympathie, wie einige aufgeschnappten Bemerkungen zeigten: Bemerkung 1: „Das ist ein Klavierkonzert, Peter – da ist immer Orchester dabei!“ Bemerkung 2: „Der hat gleich anfangs so ein nettes Lächeln gehabt.“

Poetischer Zauber bei Beethoven

Es begann Junhyung Kim mit dem Beethoven-Konzert. Lange konzentrierte er sich am Flügel, bevor er mit dem Hauptthema begann. Seinen eigentlichen Einsatz fügte er dann organisch an die Orchestereinleitung ein, genoss die Terzenseligkeit, ließ den Diskant glitzern und die Triller lustvoll überstrudeln, schien langsam das Dirigentenruder zu übernehmen, weil er immer nach vorne spielte: Man spürte im Lauf seines Spiels immer mehr, wie er dieses Konzert nicht nur beherrscht, sondern darüber meisterlich verfügt. Im zweiten Satz waren seine rührenden Passagen eine richtige inhaltliche Antwort auf die ruppigen Orchestereinwürfe, er entwickelte dabei einen poetischen Zauber. Die reizvolle Rhythmik des Finalthemas kostete er genussvoll aus, markierte heftig die widerborstige Synkopik, blieb dabei aber immer leichthändig-spielerisch. Dieser Pianist schien der Anwärter für den ersten Preis zu sein, meinte man danach.

Richtig gespielt, aber nicht berührend

Johannes Obermeier machte weiter mit dem Rachmaninow-Konzert. Dem rhetorischen Überschwang des Anfangs blieb er manches schuldig, sein insgesamt etwas mechanisches Spiel war nicht dazu angetan, dieses bis heute vernachlässigte Rachmaninow-Konzert beliebter zu machen, obwohl ihm die Verzahnung mit dem Orchester gut gelang. Gut fühlte Obermeier sich in die leicht jazzige Harmonik des zweiten Satzes ein, die er mit romantischem Nachdruck forcierte, virtuos bewegt war das Finale – gewiss waren es alles richtige Noten, aber der Funke sprang nicht über. Er berührte nicht, nicht den Rezensenten und auch nicht das Publikum, wie sich in den Pausendiskussionen herausstellte. Der Rezensent hatte sich schon nach dem Semifinale gefragt, warum Obermeier es ins Finale geschafft hatte.

Donnerlust und dämonisches Flackern

Dann kam Lukas Sternath mit demselben Konzert – und man meinte, ein ganz anderes Konzert zu hören. Sogar das Orchester schien neuen Schwung zu bekommen und lustvoller aufzuspielen. Sternath spielte viel dezidierter und ausdruckswilliger, viel saftiger und farbschillernder, viel zielgerichteter in den Läufen, manchmal voll überschäumender Donnerlust. Er gab dem virtuosen Affen durchaus Zucker. In die jazzigen Harmonien des zweiten Satzes kniete er sich mit großer Akkordfülle geradezu hinein, den Finalsatz gestaltete er vital und quirlig mit impressionistischem Glitzer, dazwischen schien er den spätromantischen Klängen nachzusinnen. Sehr gut spürte er sich in die nervöse Spannkraft und das dämonische Flackern hinein, mitreißend virtuos gelang ihm die grandiose Schlusssteigerung.

Nach dem aufjauchzenden Jubel des Publikums schien alles klar zu sein – und das war es auch:

Lukas Sternath gewann alle Preise: Den ersten Preis, dotiert mit 10.000 Euro, den mit 1.500 Euro dotierten Publikumspreis und den für die beste Interpretation der Auftragskomposition von Márton Illés, der mit 1000 Euro dotiert ist. Der Jury-Vorsitzende Michel Béroff persönlich verkündete dies alles.

Den mit 7.500 Euro dotierten 2. Preis erhielt Junhyung Kim, den mit 5.000 Euro dotierten 3. Preis Johannes Obermeier. In der Nationenwertung gewann also Österreich vor Südkorea und Deutschland, in der Alterswertung der jüngste vor dem ältesten und dem zweitältesten. Und das so unbeliebte 4. Klavierkonzert von Rachmaninow wird vielleicht jetzt etwas beliebter.

Rainer W. Janka (12.09.2022)

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