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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Drei Soloposaunisten – ein Gedanke

Finale der Posaunisten beim ARD-Musikwettbewerb 2022

Dass sich die drei Finalisten des Wettbewerbs im Fach Posaune für das frech impressionistische Konzert entschieden, das Henri Tomasi (1901-1971)1956 für den Abschlusswettbewerb am Pariser Conservatoire komponierte, verwundert nicht. Vereint es doch die Möglichkeit, Rezitative zu gestalten, tänzerisch-unterhaltsam zu schwingen, lyrische, gelegentlich sogar sentimentale Bögen zu ziehen und im Finale mit virtuosem Staccato zu brillieren. Im dreiteiligen ersten Satz bildet – nach mehreren Einleitungsrezitativen des Solisten – eine Forlane, die an das gleichnamige Stück in Maurice Ravels Tombeau de Couperin erinnert, den Rahmen für eine Valse noble et sentimentale. Ein Notturno, das den Gebrauch unterschiedlicher Dämpfer vorschreibt, fungiert als Mittelsatz und schließt einen Blues ein. Das Finale basiert – ähnlich wie Darius Milhauds Le boeuf sur le toit und andere Kompositionen der „Groupe des Six“ auf südamerikanischen Rhythmen, wenngleich es den retrospektiven Titel Tambourin als Hommage an Jean-Philippe Rameau trägt. Kurzum: Hätte Francis Poulenc ein Posaunenkonzert geschrieben, wäre wohl etwas sehr Ähnliches dabei herausgekommen.

Drei Solo-Posaunisten im Direktvergleich

Roberto de la Guía Martínez (Spanien), Soloposaunist in Wuppertal, bot die – meiner Ansicht nach – mitreißendste Interpretation. Er hatte von allen Finalisten den wärmsten Ton und das beste Portato, sodass er die lyrischen Passagen fast hornartig aussingen konnte. Seine Agogik brachte die Tanzcharaktere und den Einfluss der Unterhaltungsmusik deutlich heraus, sodass man sich in Blues und Finale beim Mitwippen ertappte. Trotz dezent-nobler Spielhaltung ohne übertriebene Ausgleichsbewegungen übermittelte er dem Publikum, dass er selbst einen Riesenspaß bei seinem Tun hatte. Für mich – trotz zweier kleiner Unfälle – die überzeugendste Gestaltung des Werks.

Jonathon Ramsay (Australien), Soloposaunist der Münchner Philharmoniker seit 2022, wirkte tonlich kühler und zog seine Portato-Linien weniger dicht. Er fasste das Konzert als seriöses Werk des 20. Jahrhunderts auf. Dadurch geriet ihm der Blues weniger sinnlich. Er agierte im Finale mit den Staccati höchst präzise und steigerte sich zu einem glanzvollen – wenngleich arg metallischen – Fortississimo am Schluss. Wie der Kollege Martínez präsentierte auch er sich in einer sehr kontrollierten Spielhaltung.

Kris Garfitt (Großbritannien), Soloposaunist im WDR Sinfonieorchester, gab den Bauchtänzer unter den Finalisten und begleitete annähernd jeden Ton mit einer Ausgleichsbewegung, was mich bereits im Semifinale erheblich nervte. Zumal diese Kleinteiligkeit der Spielbewegungen zur Folge hatte, dass seine lyrischen Bögen – wie beim Albrechtsberger-Konzert – weniger dicht daherkamen. Die Valse des ersten Satzes nahm er recht hemdsärmelig und ohne jegliches französisches Flair, denn auch bei ihm überwog zunächst die Gestaltung als seriöses Konzert weniger unterhaltsamen Charakters. Der Blues hingegen hatte das vergleichsweise beste Jazz-Feeling. Sehr gut gelangen die völlig unangestrengt wirkenden, flockigen Staccati im Finale, dessen Schluss (Très vite) er auf den Finalton hin beschleunigte, was einen netten, wenngleich etwas billigen Show-Effekt ergab, der beim Publikum hervorragend ankam.

Die Entscheidung der Jury

Nach Semifinale und Finale hätte ich Roberto de la Guía Martínez, der dem dritten Preis erhielt, gern den ersten Preis zuerkannt, den die Jury an Kris Garfitt, dem auch der Publikumspreis zufiel, verlieh. Mit dem zweiten Preis für Jonathan Ramsey bin ich jedoch sehr einverstanden.

Die Solostelle in einem prominenten Orchester scheint einfacher zu erlangen zu sein, als ein erster Preis im ARD-Musikwettbewerb.

Thomas Baack (10.09.2022)

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