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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Geisterstunde

70. ARD-Musikwettbewerb: Finale Klavierduo

Jetzt stehen die Preisträger der diesjährigen Spezialkategorie des ARD-Wettbewerbs fest. Die gute Nachricht vorab: Keines der vier Duos, die gestern Abend das Finale bestritten, blieb ohne Preis. Wer nach Werken für zwei Klaviere und Orchester sucht, wird feststellen, dass die Auswahl gar nicht einmal so groß ist. Das populäre Poulenc-Konzert scheidet wegen der Ungleichgewichtigkeit der Klavierparts aus. Das As-Dur Konzert von Mendelssohn ist zu lang. Blieben also die beiden E-Dur Konzerte von Mendelssohn und Max Bruch, sowie Mozarts Es-Dur-Konzert KV 365.

Missgünstiger Mozart

Mozart schrieb sein Doppelkonzert für sich und seine Schwester nach der eher ungünstig verlaufenen Reise nach Mannheim und Paris und überarbeitete es noch einmal im Jahre 1782, also in unmittelbarer Nähe zu Idomeneo und Entführung. Beide Klaviere sind vollkommen gleichberechtigt behandelt und durch die genaue Notation aller Verzierungen weit anspruchsvoller als die Konzerte KV 488 und KV 595, somit durchaus vom Schwierigkeitsgrad der beiden Moll-Konzerte. Erschwerend hinzu kommen die schnellen Figuren in parallelen Terzen für die beiden rechten Hände, die – so man nicht wirklich gemeinsam durchatmet – für lustiges Geklapper sorgen können. Durch die häufigen Wiederholungen von Thementeilen und Figurenwerk – nach dem Motto „was Klavier 1 kann, kann Klavier 2 schon lange“ – stellen sich den Interpreten erhebliche Probleme hinsichtlich einer spannungsvollen Gestaltung. Als Beispiel seien hier die Takte 84 ff. des Kopfsatzes angeführt, in denen eine große Geste mit weiten Sprüngen durch wechselseitiges Überkugeln in einen Viertakter mündet, aus dem Rossini später seine irren Stretta-Steigerungen kombinieren wird. Kurz gefasst: Das Werk benötigt eine superbe Technik und legt diese – höchst dankbar für die Jury – unter den Röntgenschirm.

Hora veritatis

Zuvor sei bemerkt, dass jede der 8 Pianistinnen und Pianisten das Instrument auf einem Niveau beherrscht, von dem sich Solisten der Igor-Levit-Klasse dickste Scheiben abschneiden könnten. Das Duo La Fiammata agierte ein wenig gehemmt, klanglich um Weichheit bemüht und wirkte somit leicht unterspannt. Dieser Mozart ist – zumindest in den Ecksätzen – kein intimes, sondern ein ausgesprochen brillantes Werk. Das war hübsch, nett und freundlich. So wie man sich Mozart vor Harnoncourt vorstellte. Dazu kamen ganz wenige kleine Wackler. Nach dem fulminanten Semifinale hätte ich mir mehr erwartet. Aber immerhin: ein zweiter Preis, den sie sich mit den Melnikova-Morozovas teilen.

Das Melnikova-Morozova-Duo war auf Ebenmaß bedacht und agierte auf etwas klangvollerer Ebene. Hier störte mich besonders, dass die Triller alle dasselbe schnelle Tempo hatten und dass den beiden Damen nicht klar war, dass Staccato-Punkte auch ohne zusätzlichen Akzent ausgeführt werden können. Das Tempo des Final-Rondos erschien relativ breit und gemütlich.

Die am feinsten abgestimmte Version boten die Schwestern des Duo Sakamoto. Sie agierten am freiesten mit feinen Ritardandi und Stimmungswechseln hin zu den Moll-Abschnitten. In der Artikulation so präzise wie die feine Ätzung auf einem edlen Samuraischwert, dabei im Andante ungemein anrührend und im Rondo von einer umwerfenden Brillanz sowie mit den am besten getimten Kadenzen gebührt ihnen die Krone des Abends. Allerdings musizieren sie auch bereits seit Kleinkindertagen – immerhin 22 Jahre – miteinander und verfügen somit über die größte Erfahrung aller Teilnehmer. Nach diversen ersten Preisen wurden es diesmal der Publikumspreis und der 3. Preis des Wettbewerbs.

Wie das Geister Duo es schafft, auf der Bühne zu erscheinen und sofort gespannte Aufmerksamkeit zu erregen, mag sein magisches Geheimnis sein. Auf jeden Fall überträgt sich ihre Spielfreude, die Lust am Tun und die Eigenschaft, auf Knopfdruck im Flow zu sein. Ähnlich wie die Sakamotos vermögen sie es bei Dirigent und Orchester das gewisse Quantum an Extra-Spannung zu erwecken, das ihre Interpretationen besonders macht. Sie phrasieren gestisch, in großen Bögen, ihre Triller leben und erhalten dadurch die vokale Komponente, die dem Komponisten vorschwebte. Ihr überlegenes Timing und ihre stilistische Reife wurden völlig zu recht mit dem 1. Preis bedacht. Hinzu kamen die Preise für die beste Reger-Interpretation und die beste Interpretation des Pflichtstücks.

Mit der Entscheidung der Jury kann man durchaus zufrieden sein. Ich hätte allerdings den 2. Preis an die Sakamotos vergeben und den 3. unter den vier anderen Damen verteilt.

Thomas Baack (09.09.2021)

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