BIS BIS-CD-1016
1 CD • 68min • 1999
01.03.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist so eine Sache mit der Salonmusik. Moritz Moszkowski beispielsweise ist so ein Komponist, über den nach märchenhaftem Erfolg zu Lebzeiten die Dampfwalze der Geringschätzung des 20. Jahrhunderts hinwegrollte: schwülstig, bieder, billig, sentimental, hohl und unnütz virtuos - dieses Urteil hat sich festgebrannt. Aber kaum jemand kennt etwas. Das einst so beliebte Tempo di Minuetto in E hat jeder im Ohr. Aber wer weiß schon, was es ist oder von wem? Es lohnt also, sich eingehend mit dem Polen zu beschäftigen.
Die Suite op. 71 ist weit mehr als gefühliger, mit Chromatismen ausstaffierter Flitter. Der Viersätzer verströmt in Kopfsatz und Lento Brahmssche Würde. Zwar ist nicht zu leugnen, daß die große Form nicht eben Moszkowskis Stärke war, so daß er es jeweils nach gut fünf Minuten mit den Sätzen bewenden ließ. Aber im Verlauf dieser Miniaturen breitet er einen erstaunlichen harmonischen Kosmos aus. Und im Erfinden von Mittel- und Gegenstimmen von eindrucksvoller melodischer Eigenständigkeit reicht er beinahe an Dvor*ák heran.
Genau so nähern sich auch Ilya Gringolts und Alexander Bulov dem Werk: mit dem Ernst und der Sorgfalt, mit der man gemeinhin einem großen Romantiker begegnet. Und so beginnen sie zu funkeln, diese üppigen (und bisweilen bemerkenswert kühnen) Harmonien und kontrapunktischen Einfälle. Die beiden blutjungen Geiger spielen mit riesigem Ton und Vibrato an der oberen Grenze des Schicklichen. Aber wenn man wo vibrieren darf, dann hier. Irina Ryumina teilt indes die Hochachtung der beiden Virtuosen gegenüber Moszkowski nur bedingt. Denn so richtig ernst scheint sie ihren an sich dankbaren Klavierpart nicht zu nehmen. Aber souverän spielt sie allemal - und sie folgt den beiden Solisten bis in die feinsten Verästelungen von Tempo und Dynamik. Wunderbar.
Das gilt so für die beiden anderen Werke der CD nicht unbedingt. Und das liegt zum allergrößten Teil daran, daß es eben doch ziemlich viele ebenso schwere wie überflüssige Hohlkörper gab beim Virtuosenfutter des letzten Jahrhunderts. Henry Wieniawskis Etiudy-Kaprysy zählen dazu. Für die ausführenden Geiger bringt dieser gewaltige Zyklus sicher jede Menge Lustgewinn (Technikgewinn brauchen Gringolts und Bulov kaum mehr, sieht man von intonatorischen Ungereimtheiten bei komplizierten Figurationen in hoher Lage ab - Tr. 4). Aber für den Hörer hält sich der Mehrwert in vergleichsweise engen Grenzen. Das gilt auch für das hübsche Duo Jean-Delphin Alards, das den Geigen erstaunliche Klangwirkungen abgewinnt. Aber die kompositorische Substanz ist eher dünn. Woran auch der Umstand nichts ändert, daß die Komposition hübsch ist. Schöne Produktion, ausgezeichneter Klang.
Peter Korfmacher [01.03.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Henryk Wieniawski | ||
1 | Etiudy-Kaprysy op. 18 | |
Jean-Delphin Alard | ||
2 | Duo Nr. 3 op. 27 | |
Moritz Moszkowski | ||
3 | Suite g-Moll op. 71 für zwei Violinen, Viola und Klavier |