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Besprechung CD

Alexandre Guerra

Variations on Edward Hopper
Fabio Martino Piano

dolce DOLC01

1 CD • 41min • 2024

10.10.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Verträumt, episch, melancholisch – man könnte viele Attribute bemühen, um Alexandre Guerras sanft fließende Klaviermusik zu charakterisieren. Und ja: Diese meditativen Charakterstücke lassen sich als atmosphärische Begleiter oder als Soundtrack für imaginäre Bilder auch hervorragend verwenden. Doch würde man damit vielleicht ihrer kompositorischen Substanz Unrecht tun, denn die Variations on Edward Hopper auf dieser neuen CD erweisen sich bei genauerer Betrachtung als weit mehr als illustrative Programmmusik.

Atmosphärische Harmonien

Zwar entwickelt der brasilianische Komponist seine sechzehn Klavierstücke aus der visuellen Welt Edward Hoppers – jener melancholischen Großstadtszenarien, die die Einsamkeit des modernen Individuums in getragenen Lichtstimmungen einfangen –, doch bleibt Guerras Tonsprache letztendlich autonom. Auf der Basis minimalistischer Repetitionen und harmonischer Schwebezustände, die gelegentlich an Steve Reich oder John Adams erinnern, schöpft Guerra seine verträumten klanglichen Gebilde. Ostinato-Motive bilden das Fundament, über dem sich atmosphärische Harmonien wie ein sanfter Atem entfalten und beständig erneuern – ein kompositorisches Verfahren, das amerikanische Traditionen von Minimalismus bis Blues organisch integriert. Bleiben wir trotzdem mal bei einem direkten Vergleich mit einigen Vorlagen aus der bildenden Kunst. In Nighthawks etwa imitiert ein gleichmäßiges Achtel-Ostinato das stetige Neonleuchten von Hoppers nächtlicher Café-Szene, während die rechte Hand weite Akkordbrechungen spielt, die die distanzierte Stimmung der einsamen Figuren widerspiegeln. Gas beginnt mit einem plötzlichen E-Dur-Fortissimo-Akkord, als würde das Ein- und Ausschalten des Leuchtschilds einer verlassenen Tankstelle in der Musik widerhallen. Unregelmäßige Taktartenwechsel untermalen das unstete Wanderer-Dasein während einer Reise durch die Fremde, während Blues-inspirierte Pentatonik-Figuren die spezifisch amerikanische Färbung unterstreichen.

Poetik der Reduktion

Pianist Fabio Martino erweist sich als idealer Interpret für Guerras kontemplative Ästhetik. Seine Artikulation bleibt durchweg sensitiv für die feinen dynamischen Abstufungen – meist bewegt sich die Musik zwischen pianissimo und mezzoforte. Und Martino versteht es, aus den repetitiven Strukturen ein kontinuierliches Ganzes zu entwickeln, das immer weiter atmet, ohne dabei in meditative Beliebigkeit zu verfallen. Letztendlich appelliert diese Musik an die eigene Fantasie des Hörers. Guerra und Martino schaffen Klangräume, die verschiedenste Assoziationen zulassen, ohne sich in programmatischer Eindeutigkeit zu erschöpfen. Die Melancholie bleibt stets von einer unterschwelligen Friedfertigkeit durchzogen, zarte Andeutungen von Dramatik lösen sich in kontemplative Ruhe auf. Variations on Edward Hopper dokumentiert eine kompositorische Haltung von hoher ästhetischer Sensibilität – und Fabio Martino zeigt sich als pianistischer Mittler diesem Anliegen in vollem Umfang gewachsen.

Stefan Pieper [10.10.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alexandre Guerra
1Variations on Edward Hopper 00:40:43

Interpreten der Einspielung

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