Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Louis Durey

Mélodies
Holger Falk baritone • Steffen Schleiermacher piano

MDG 613 2357-2

1 CD • 76min • 2024

28.06.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Dieses neunte Album mit Liedern der „Groupe de Six“ bildet den Schlusspunkt einer einzigartigen Edition, die schon mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde. Nach Poulenc, Milhaud, Honegger, Tailleferre, Auric und dem großen Vorbild Satie kommt nun last but not least Louis Durey zu Ehren, der innerhalb der Gruppe eine Außenseiterposition innehatte und heute fast in Vergessenheit geraten ist, obwohl er über 120 Werke geschaffen hat, neben Liedern auch Klavierwerke und sogar eine Oper.

Eine besondere Biographie

Durey (1888-1979) stand der Gruppe, die nach dem Ersten Weltkrieg einen neuen Aufbruch in der französischen Musik unternahm, von Anfang an etwas distanziert gegenüber. Er misstraute dem geistigen Führungsanspruch des Dichters Jean Cocteau, der sich gern als das Zentrum der Bewegung inszenierte, und er überwarf sich schließlich mit der Leitfigur Erik Satie, weil ihm dessen Sticheleien gegen Maurice Ravel gegen den Strich gingen. Während sich die Kollegen in der Pariser Bohème etablierten, engagierte er sich in einem Arbeiter-Musikverein. In den 30er Jahren trat er der Kommunistischen Partei bei, wurde dann während der deutschen Okkupation in der Résistance aktiv und betätigte sich nach dem 2. Weltkrieg als Musikkritiker in der linken „L’Humanité“. Er komponierte in dieser Zeit nur noch wenig und befasste sich stattdessen mit der Herausgabe von Werken älterer Komponisten wie François-Josef Gossec oder Josquin de Près.

Vieles blieb ungedruckt

Das politische Engagement hatte auf den Stil seiner Musik keinen Einfluss. Dass er 1951 zwei Gedichte von Ho-chi-Minh vertonte, ist nur von marginaler Bedeutung. Anfangs blieb Durey in der Wahl der literarischen Vorlagen mit Texten von Jean Cocteau, Guillaume Apollinaire und Stéphane Mallarmé noch ganz im vorgegebenen Rahmen der Gruppe. Später eröffnete er sich mit Gedichten von Heinrich Heine und Rainer Maria Rilke neue poetische Räume. Bezeichnend ist, dass seine frühen Kompositionen, teilweise durch Vermittlung von Ravel, noch gedruckt wurden, während viele spätere unveröffentlicht blieben und nur als Manuskripte erhalten sind. Deren Kopien konnten für diese Edition herangezogen werden.

Meister der kleinen Form

Nach dem Eindruck der in diesem Album zu hörenden 56 Liedtitel war Durey ein Meister des musikalischen Epigramms. Nur wenige Stücke dauern länger als 1-2 Minuten und sie bringen die Texte musikalisch rasch auf den Punkt. Die Adaptionen der sehr witzigen antiken Dichtungen von Theokrit und Petronius (op. 13 und op. 15), die von Saties Socrate beeinflusst sind, entzücken durch ihren lapidaren Stil ebenso wie der das Programm einleitende Zyklus Le Bestiaire ou Courtège d‘Orphée (Das Getier oder das Gefolge des Orpheus) nach Gedichten von Apollinaire und Holzschnitten von Raoul Dufy, der mit anspielungsreichen musikalischen Pointen aufwartet. Schon mit Deux Lieder Romantiques (1919) auf Texte Heines (darunter das von Schumann vertraute Du bist wie eine Blume) versuchte sich Durey aus dem Einfluss Saties zu befreien und entwickelte dabei eine komplexere Harmonik. Die Auseinandersetzung mit Arnold Schönberg (Buch der hängenden Gärten) trug dabei erste Früchte. Einen Schritt weiter ging er mit Vergers – Sept poèmes de Rilke (1931-32), in der Singstimme und Klavier melodisch und harmonisch getrennte Wege gehen. Rilke hat diese rätselhaften Gedichte über Obstbäume kurz vor seinem Tode in französischer Sprache geschrieben.

Würdiger Abschluss

Holger Falk hat nach eigener Aussage schon seit Kindesbeinen eine Beziehung zum französischen Lied – erst ganz passiv als Hörer, später auch aktiv als Sänger bei den Regensburger Domspatzen. Seine Liebe zur französischen Sprache und Dichtung und sein feines Gespür für die musikalischen Finessen hört man aus jedem Lied heraus. Sein heller Bariton, der auch in hohen Lagen gut anspricht und ungemein flexibel geführt wird, ist das ideale Instrument für diese Musik. Gemeinsam mit dem ebenso versatil und imaginativ akkompagnierenden Partner Steffen Schleiermacher suggeriert er dem Hörer tiefe Vertrautheit mit den kaum bekannten oder gar unbekannten Werken. Wie gehabt sind die Werkeinführungen des Pianisten im Booklet ein zusätzlicher Gewinn für das Verständnis. Ein würdiger Abschluss der ganzen Reihe.

Ekkehard Pluta [28.06.2025]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Louis Durey
1Le Bestiaire d'Orphée op. 17a 00:27:14
27Offert avec un verre d'eau op. 22a Nr. 1 (aus Six Madrigaux de Mallarmé) 00:00:57
28Jour de l'an op. 22a Nr. 2 00:00:55
29Départ op. 22a Nr. 3 00:01:10
30Eventail I op. 22a Nr. 4 00:01:04
311er avril 1887 op. 22a Nr. 5 00:01:13
32Eventail II op. 22a Nr. 6 00:01:24
33La biche op. 42 Nr. 1 (aus Vergers - Sept poèmes de Rilke) 00:01:17
34Arrêtons nous... op. 42 Nr. 2 00:01:17
35Eau que se presse... op. 42 Nr. 3 00:01:45
36Comme un verre de Venise op. 42 Nr. 4 00:01:15
37Un cygne... op. 42 Nr. 5 00:01:41
38La Passante d'Été op. 42 Nr. 6 00:01:20
39La fontaine op. 42 Nr. 7 00:03:12
40Veux-tu, au nom des Nymphes op. 13 Nr. 1 (aus Épigrammes de Theocrite) 00:01:11
41Ces roses, humides de rosée op. 13 Nr. 2 00:01:50
42Daphnis à la peau blanche op. 13 Nr. 3 00:01:02
43Tu dors, Daphnis op. 13 Nr. 4 00:02:00
44La Boule de Neige op. 15 Nr. 1 (aus Trois poèmes de Pétrone) 00:01:24
45La Métempsychose op. 15 Nr. 2 00:01:58
46La Grenade op. 15 Nr. 3 00:02:08
47Hommage à Erik Satie 00:03:08
48Prière op. 23 Nr. 1 (aus Chansons basques) 00:01:36
49Polka op. 23 Nr. 2 00:00:35
50Attelage op. 23 Nr. 3 00:02:20
51Oranger, dont la voûte épaisse op. 16 Nr. 1 (aus Inscriptions sur un Oranger) 00:01:16
52Bel arbre, pourquoi conserver op. 16 Nr. 2 (aus Chansons basques) 00:01:20
53Mon pale visage op. 20 Nr. 1 (aus: Deux Lieder Romantiques) 00:02:56
54Tu es telle qu'une fleur op. 20 Nr. 2 (aus: Deux Lieder Romantiques) 00:01:03
55Je lis op. 69 Nr. 1 (aus: Deux Poèmes d'Ho-chi-Minh) 00:01:40
56Nuit d'automne op. 69 Nr. 2 (aus: Deux Poèmes d'Ho-chi-Minh) 00:02:21

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

26.04.2025
»zur Besprechung«

Hanns Eisler, Music for Piano

04.06.2024
»zur Besprechung«

Salaputia Brass, Chansons sans Paroles

12.03.2024
»zur Besprechung«

Le Piano du Groupe des Six, Steffen Schleiermachen

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige