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Besprechung CD

Saiga Antelope

Concertos & music by Viktoria Elisabeth Kaunzner, Violeta Dinescu, Elena Kats-Chernin, Claudia Montero
Viktoria & Virtuosi orchestra

Solo Musica SM 483

1 CD • 75min • 2022

18.06.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Viktoria-Elisabeth Kaunzner, Jahrgang 1982, ist seit Beginn ihrer (diskographischen) Karriere nicht nur als Geigerin (mit Aufnahmen von Werken u.a. von Ysaÿe, Medtner, Krzysztof Meyer und Violeta Dinescu) in Erscheinung getreten, sondern stets auch als Komponistin. So kombiniert auch ihre jüngste CD, Saiga Antelope betitelt, Musik für Violine und Kammerorchester dreier zeitgenössischer Komponistinnen mit vier Eigenkompositionen Kaunzners. An ihrer Seite steht dabei ihr eigenes Universal Korean Organic Ensemble – Viktoria & Virtuosi (kurz UKOREVV) unter der Leitung des spanischen Dirigenten Juan Pablo Hellín Chaparro.

Eine große Bandbreite

Kaunzner ist eine Künstlerin, die in vielerlei Hinsicht (und gerade auch musikalisch) Grenzen überschreiten will. So wirkte sie von 2011 bis 2018 als Violinprofessorin in Korea, und ihre Begegnung mit der dortigen Kultur hat in ihrer Musik und ihrem Ensemble ihre Spuren hinterlassen. Dies beginnt bereits mit dem Instrumentarium, das auch ostasiatische Instrumente (Sheng, Gayageum, Daegeum) mit einbezieht. Darüber hinaus kommt ein recht umfangreicher Schlagzeugapparat zum Einsatz, außerdem Oud, Gitarre und E-Bass wie auch Klavier und Cembalo. Die Bandbreite ist also groß und nicht auf eine spezielle (Musik-) Richtung beschränkt, was sich denn auch in Kaunzners Eigenkompositionen widerspiegelt. Bei all ihnen handelt es sich um Werke aus den letzten zehn Jahren: Silk Road ist eine kurze dreisätzige Suite, Saiga Antelope eine Art Konzertstück, Jasmine Rice wird als Collage für improvisierende Violine und improvisierendes Orchester bezeichnet, und die Lucid Dreams sind ein kurzer Rausschmeißer.

Von ostasiatischen Einflüssen über Minimal Music zu Pop- und Tanzmusik

Kaunzners Musik hat etwas Collagehaftes, sie kombiniert und fusioniert zahlreiche Einflüsse in eher frei anmutender Manier. Eine Rolle spielt selbstredend der Einsatz von Instrumenten aus anderen Kulturen und die leichten Reibungen (in Stimmung, Klang, aber auch Erwartungshaltung des Hörers), die sich daraus ergeben. Doch auch Minimal Music, Anklänge an Popmusik, Tanzmusik und Folklore aus anderen Ländern (z.B. Flamenco), Improvisation, erweiterte Spieltechniken und behutsam eingesetzte Avantgardeeinflüsse (bei in der Regel freitonaler Grundierung) haben ihre Spuren hinterlassen. Oft liegen gewisse Muster zugrunde, gerne auf Basis prägnanter Rhythmik, die ostinat wiederholt werden und dabei einem Geflecht von Ornamenten und Verfremdungen begegnen, einer Art Schimmern, wie die Klanglichkeit von Kaunzners Musik generell überwiegend luzide ist und trotz der kammerorchestralen Besetzung eine gewisse Opulenz verströmt. Eine relativ unkompliziert rezipierbare Musik, die allerdings in den umfangreicheren Stücken schnell gewisse Längen aufweist.

Improvisatorische Freiheit und allerlei klangliche Varianten

Violeta Dinescu, Jg. 1953, gebürtige Rumänin, aber schon lange in Deutschland wirkend, ist gewissermaßen die Avantgardistin unter den hier vertretenen Komponistinnen. Ihr Roman Fleuve für Violine und Streichorchester (2017) entstand speziell für Kaunzner, und wer mit Dinescus (wenigstens in Teilen recht gut auf CD dokumentiertem) Schaffen vertraut ist, wird auch in diesem Konzert viel Bekanntes finden: das freie, improvisatorisch anmutende (und, allein schon per graphischer Notation, dem Interpreten ja in der Tat etliche Freiheiten einräumende) Umkreisen kleiner Zentren wie einzelner Töne oder kurzer Motive, das Ausloten einer breiten Paletten klanglicher Möglichkeiten, das auch Geräuschhaftes mit einbezieht (in diesem Konzert spielt u.a. die menschliche Stimme von Solistin und Orchester eine Rolle), aber auch, dass die Struktur der Musik dabei oft wenig zwangsläufig anmutet, eher eine Musik des ausgiebig zelebrierten Moments.

Tango, Walzer und Brücken dazwischen

Ebenfalls für Violine und Streichorchester gesetzt ist das 2012 entstandene Konzert der argentinisch-spanischen Komponistin Claudia Montero (1962–2021), ein wesentlich klassischer gestalteter Dreisätzer, inspiriert von lateinamerikanischer Tanzmusik, man könnte etwa an Astor Piazzolla denken. Wenn das Werk im Begleittext als „so emotionales und dramatisches Konzert“ bezeichnet wird, dann ist dies aus meiner Sicht eine Spur überspitzt (der Hörer sollte hier keinen Pettersson o.ä. erwarten), aber dass sich das Stück aus vergleichsweise dunklen, speziell im Finale durchaus expressiven Farben und Bildern speist, steht außer Frage. Times of Rain and Sun der australischen, in Taschkent geborenen Komponistin Elena Kats-Chernin (Jg. 1957) schließlich wurde wiederum für Kaunzner komponiert, eine Art stilisierter Walzer, der bei leicht salonesker Atmosphärik nun auch wieder koreanisches Instrumentarium mit einbezieht. Kaunzners Eigenkompositionen schlagen insofern auch Brücken zu allen drei anderen hier vertretenen Komponistinnen, mit denen sie jeweils ausgewählte Aspekte gemein haben.

Holger Sambale [18.06.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Viktoria Elisabeth Kaunzner
1Silk Road 00:06:40
Violeta Dinescu
4Roman Fleuve 00:17:35
Viktoria Elisabeth Kaunzner
11Saiga Antelope 00:09:40
Elena Kats-Chernin
12Times of Rain & Sun 00:08:43
Viktoria Elisabeth Kaunzner
13Jasmin Rice (Collage for improvising violin & improvising orchestra) 00:12:20
Claudia Montero
14Concierto para violín y orquesta de cuerdas 00:17:28
Viktoria Elisabeth Kaunzner
17Lucid Dreams 00:02:46

Interpreten der Einspielung

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