Mass & Gloria
Schubert & Poulenc

Berlin Classics 0303770BC
1 CD • 63min • 2024
04.06.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist bemerkenswert, dass sowohl Ludwig van Beethoven als auch Franz Schubert um 1819 Werke konzipierten, die an die sechs großen Messen Haydns anknüpften und diese zu übertreffen suchten. Der seit 2022 amtierende Kreuzkantor Martin Lehmann wählte für sein CD-Debüt nun Schuberts höchst anspruchsvolle Messe in As-Dur D 678 und stellt dieser das 1959/ entstandene, frech-witzige Gloria von Francis Poulenc gegenüber.
Schuberts Schmerzenswerk
Wohl an keinem Werk hat Schubert, dem man gern intuitives Komponieren unterstellt, in den Jahren von 1819-1825 mehr gefeilt als an dieser Missa solemnis, mit der er sich 1826 erfolglos um die Stelle des Vizehofkapellmeisters bewarb und die er im Todesjahr 1828 noch dem Verleger Schott ans Herz legte.
Bei der einzigen Aufführung durch seinen Bruder Ferdinand 1822 hatte er festgestellt, dass er den Sopran an vielen Stellen erheblich zu hoch notiert hatte. Aber auch mit den vorgenommenen Änderungen ist diese Messe mit ihrem Umfang von zwei Oktaven (h-h2) und vielen Tonwiederholungen auf fis2 und gis2 für die Chorsoprane eine Tour de Force. Zudem weist die Fülle der unterschiedlichen Tonarten – Kyrie und Agnus in As, Gloria in E, Credo in C, Sanctus in F – und der komplexen Modulationen bereits in die Hochromantik, was das Werk hinsichtlich der Intonation außerordentlich heikel macht. Solo-Sopran, -Alt und -Tenor tragen Benedictus und Dona nobis, der Bass muss als Fundament der vierstimmigen Abschnitte über eine resonanzreiche Tiefe verfügen.
Benediktiner auf dem Bolzplatz
Das Gloria von Francis Poulenc ist ein ausgesprochen fröhliches Werk, bei dem man unwillkürlich freche Putten in der Christnacht vor Augen hat. Harmonisch prägend ist hier eine sanft-bitonale Mischung aus G-Dur und h-Moll, die als Leitklang einen großen Septakkord auf G ergibt. Es entstand als Auftragskomposition für die Koussewitsky-Foundation, nachdem Poulenc die Komposition einer Sinfonie abgelehnt hatte. Besonders bemerkenswert ist die ausgesprochen Pariserische Deklamation des Textes, die in den Akzenten häufig vom Gewohnten abweicht. Zum zwischen Kinderlied und Strawinsky oszillierenden Laudamus te wurde der Komponist nach eigener Aussage angeregt, als er Benediktinermönchen beim Fußballspiel zusah.
Für Knabenchöre nur bedingt geeignet
Die frischen, jungen Knabenstimmen sind für Poulencs Gloria ein klarer Gewinn. Unterstreichen sie doch den fröhlich-weihnachtlichen Charakter des Werks. Allerdings hätte es nicht geschadet, bezüglich der Aussprache die unter Aufsicht des Komponisten entstandene Ersteinspielung durch George Prêtre heranzuziehen. „Déus“ wird im Französischen nämlich zu „De´üs“.
Beim Schubert ist das Gegenteil der Fall. Wie oben beschrieben liegt der Chorsopran hinsichtlich der Spitzentöne und der Lage ungewöhnlich hoch. Dies führt – obwohl sauber intoniert – spätestens ab gis2 zum Forcieren, was eine Phrasierung über die von Schubert mit Schwellern reich bezeichnete Dynamik vom ppp bis zum fff unmöglich macht und die Balance des Ensembles empfindlich stört. Dies ist besonders offensichtlich, da die jungen Tenöre und Bässe hier noch kein entsprechendes Gegengewicht bieten können. Ob es zur Stimmgesundheit der Sopranisten beiträgt, mag man bezweifeln. Mir fehlt jedenfalls ein erhebliches Maß romantischer Wärme.
Aufnahmetechnisch wurde das groß besetzte Orchester gegenüber dem Chor nicht ausreichend zurückgenommen. Das Booklet bietet die nötigen Informationen und zudem ein aufschlussreiches Interview mit Martin Lehmann.
Fazit: Inwieweit die Kombination eines Gloria mit einer Messe sinnvoll ist, mag jeder für sich entscheiden. Auf mich wirkt sie eher zufällig. Wer die Schubert-Messe in ihrer vollen Pracht und mit eleganter romantischer Phrasierung hören möchte, greife zur Einspielung von John Eliot Gardiner. Für Poulenc bleibt Georges Prêtre die erste Wahl.
Vergleichsaufnahmen: Gardiner, Philips – Prêtre, BNdF.
Thomas Baack [04.06.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Francis Poulenc | ||
1 | Gloria G-Dur | 00:22:58 |
Franz Schubert | ||
7 | Messe Nr. 5 As-Dur D 678 für Soli, Chor und Orchester | 00:40:06 |
Interpreten der Einspielung
- Elsa Benoit (Sopran)
- Ulrike Malotta (Alt)
- Patrick Grahl (Tenor)
- Klaus Häger (Bass)
- Holger Gehring (Orgel)
- Dresdner Kreuzchor (Chor)
- Dresdner Philharmonie (Orchester)
- Martin Lehmann (Dirigent)