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Besprechung CD

Marsyas Baroque

»Dieupart & Bach – A Suite Connection«

GWK Records GWK 162

1 CD • 69min • 2023

04.05.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Charles François Dieupart (1667/76–1740) und J. S. Bach (1685-1750) sind Zeitgenossen – wobei Dieupart allem Anschein nach ungefähr so alt gewesen ist wie Bachs älterer Bruder Johann Christoph Bach (1671-1721), in dessen Obhut der zehnjährige Sebastian nach dem Tod beider Eltern kam. J. S. Bach hat seinen französischen Kollegen offenbar bewundert; in der Frankfurter Universitätsbilbliothek befindet sich seine sorgfältige Abschrift von Dieuparts sechs Cembalosuiten (von denen zwei hier erklingen), bei der Bach auch eine Verzierungstabelle anlegte: Sie zeigt sein Interesse, sich die Kunst seines älteren französischen Kollegen tiefgründig anzueignen. In der 1701 in Amsterdam erschienenen Erstausgabe seiner sechs Suiten für Cembalo regt Dieupart neben der Interpretation der Stücke auf dem Cembalo ausdrücklich auch eine instrumentale Aufführung „en concert“ an, für die der Komponist in dieser Ausgabe deutliche Anweisungen erteilt.

Entfernte Brüder im Geiste

Da hat sich das Ensemble Marsyas Baroque für seine erste CD zwei Generationsgenossen ausgesucht, die zwar durchaus Brüder im Geiste sind, allerdings in einem zeittypisch entfernten Sinn: Dieupart ist rückhaltlos dem französischen Stil seiner Generation zuzuordnen, den er bei seiner Übersiedlung nach London in Jahr 1703 im Gepäck hatte und damit einen bedeutsamen Platz im kosmopolitsch ausgerichteten Musikleben der englischen Metropole einnehmen konnte. Bach hingegen zeichnete sich schon als Jungendlicher durch ausgesprochene Neugier aus: 14-jährig ging er mit seinem Jugendfreund Georg Erdmann an die Michaelsschule nach Lüneburg, machte dort Bekanntschaft mit Georg Böhm (1661-1733), dem renommierten Organisten der Lüneburger Johanniskirche. Von dort pilgerte er vermutlich gelegentlich nach Hamburg zu Johann Adam Reincken (1643-1722), der dort als Organist an der Katharinenkirche wirkte.

Überzogener Urlaub

Ab 1703 wirkte der junge Johann Sebastian als Organist der Neuen Kirche in Arnstadt, von dort machte er sich 1705 mit einer Urlaubsbewilligung von vier Wochen auf die Reise nach Lübeck, um Dieterich Buxtehude (ca.1637-1707), Organist an der Marienkirche, zu treffen, der nach damaligen Umständen mit 68 Jahren ein alter Mann war – Eile war also geboten, wenn Bach diesen Großmeister der norddeutschen Barockmusik lebend antreffen wollte, um von ihm zu lernen. Der Kontakt mit Buxtehude erweiterte den Horizont des jungen Thüringers in einer derart faszinierenden Weise, dass seine Rückkehr an den Arnstädter Arbeitsplatz sich um 12 Wochen verspätete, das Dreifache des ursprünglich gewährten Urlaubs. Den Vorwürfen seiner Arnstädter Obrigkeit erwidert er selbstbewusst, er habe so lange fortbleiben müssen, um „ein oder anderes in meiner Kunst zu begreiffen“.

Autodidakt

Der über seine mitteldeutsche Heimat herausreichende und schließlich europäische Horizont Johann Sebastian Bachs beruht also auf einer persönlichen Aneignung der musikalischen Welt Europas: Sei es auf Schusters Rappen als junger Mann, sei es in tiefgehender Aneignung aus Notentexten – für die Gründlichkeit des Vorgehens dabei sind schon seine Verzierungstabellen bei der Abschrift der Werke Dieuparts ein eindrucksvoller Beleg.

Charme und Eleganz

Die Darstellung des Ensembles Marsyas Baroque verdient besonders für die Werke Dieuparts rückhaltlose Anerkennung: Hier paaren sich Charme und Eleganz, aber nicht als Selbstzweck, sondern den Musikern und dem Publikum zum hörbaren Genuss!

Bei Bach stellt das Temperament der Eleganz gelegentlich ein Bein, was das Vergnügen zumindest für den Rezensenten etwas trübte. Dennoch: ein gelungenes CD-Debüt von Marsyas Baroque.

Detmar Huchting [04.05.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Charles François Dieupart
1Suite Nr. 3 h-Moll (Suite, aus: Six Suittes de Clavessin Composées & Mises en Concert Pour un violon & Flûte avec un Basse de Viole & un Archilut) 00:14:36
8Suite Nr. 5 F-Dur (Suite, Six Suittes de Clavessin Composées & Mises en Concert Pour un violon & Flûte avec un Basse de Viole & un Archilut) 00:12:43
Johann Sebastian Bach
15Englische Suite Nr. 2 c-Moll (BWV 807 & 811, arr. Marsyas Baroque & Leonard Schick) 00:22:47
21Englische Suite Nr. 4 G-Dur BWV 809 (arr. Marsyas Baroque & Leonard Schick) 00:18:26

Interpreten der Einspielung

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