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Besprechung CD

Krzysztof Meyer

works for violin and piano

eda records 049

1 CD • 64min • 2022, 2023

08.12.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Unter den Jubilaren des laufenden Jahres ist Krzysztof Meyer, Jahrgang 1943 und mittlerweile seit 1987 in Deutschland lebend, sicherlich eine der profiliertesten Komponistenpersönlichkeiten. Sein umfängliches Schaffen, das sich immer wieder um Gattungen wie Sinfonie, Konzert, Sonate oder Streichquartett dreht, ist mittlerweile zum Glück recht gut auf CD dokumentiert. Für eda records hat der Geiger (und Pianist) Kolja Lessing nun seine beiden Solosonaten für Violine eingespielt, ergänzt durch drei Werke für Violine und Klavier zusammen mit Lessings bewährtem Duopartner Rainer Maria Klaas.

Ein junger Komponist auf dem Weg zu seiner Tonsprache

Bei den beiden Sonaten handelt es sich um zwei in großem zeitlichem Abstand entstandene Werke, und insofern erlaubt ihre Gegenüberstellung auch Rückschlüsse über die allgemeine Entwicklung von Meyers Tonsprache. So geht die Sonate für Violine solo Nr. 1 op. 36 (1975) zwar nicht mehr unbedingt als Frühwerk durch, aber man erlebt hier dennoch den jungen Komponisten (noch) auf dem Weg zu seinem eigenen Stil. Charakteristisch das Streben nach Einheit: so beginnt und endet die Sonate mit der gleichen sich allmählich verlangsamenden (Quasi-) Tremologeste auf der G-Saite, und überhaupt wird man zwischen den beiden Sätzen mannigfaltige motivische Verbindungen finden. Die huschenden Gesten, die im ersten Satz zunächst im Pizzicato erscheinen, sind für Meyers Tonsprache generell nicht untypisch. Andererseits reizt die Sonate experimentelle Klangmöglichkeiten (erweiterte Spieltechniken wie Glissandi oder Klopfgeräusche) noch relativ stark aus, wobei sie eher als Mittel der expressiven Gestaltung und Verstärkung dienen als dass sie konstituierend eingesetzt würden. Kein uninteressantes Werk, ohne die dramaturgische Stringenz zu erreichen, die Meyer schon wenige Jahre später auszeichnen sollte.

Souveränes Werk des 75-Jährigen fern aller Moden

Die Sonate für Violine solo Nr. 2 op. 133 (2018) ist fast noch taufrisch, speziell für Kolja Lessing entstanden und hier erstmals auf CD eingespielt. Musik von großer Souveränität, meisterhaft disponiert und bemerkenswert prägnant in ihrer Motivik, wie etwa die fallende, behutsam tastende Bewegung, mit der die Sonate beginnt. Der toccatenhaften Motorik des zweiten Satzes, eines grimmigen Scherzos, begegnet man im Laufe des Finales, das im Stile einer Elegie beginnt, wieder, und schließlich führt sie die Sonate dann auch zu einem stürmischen, resoluten Ende. Musik, die keinen Moden folgt, sondern ganz für sich selbst steht, in ihrer freitonal monologisierenden Introspektion dem späten Weinberg nicht unähnlich, was insofern nicht verwundert, da beide Komponisten Schostakowitsch als Ausgangspunkt gewählt haben (und dabei freilich zu einer ganz eigenen Stimme gefunden haben).

Intelligent konstruierte stilistische Visitenkarten

Zentrale Charakteristika von Meyers Tonsprache wird man auch in Misterioso op. 83 (1994) (der Titel verweist auf eine Atmosphärik, der man in Meyers Musik immer wieder begegnet) und Capriccio interrotto op. 93 (2000) wiederfinden. Das Capriccio ist deshalb interrotto, unterbrochen also, weil sein Konstruktionsprinzip der Abwechslung zweier Themenkomplexe in verschiedenen sich verändernden Längen und Tempi schließlich unterbrochen wird und in einen bedeckten, sinnierenden Schluss mündet. Intelligent konstruierte Musik, die deshalb aber nicht an unmittelbarer Wirkung einbüßt: so wird auch der unvorbereitete Hörer beispielsweise am typisch dramatisch auffahrenden Gestus des Beginns seine Freude haben. Bei den Geigen-Krämchen op. 55 (1981) handelt es sich um didaktische Literatur, für Meyers sich damals in den Kinderschuhen befindlichen Sohn komponiert, im Kontext dieses Albums eine hübsche Zugabe, die immer wieder mit ansprechenden Ideen aufwartet, wenn etwa das Zusammenspiel von Violine und Klavier eine latent spannungsvolle Dur-Moll-Ambiguität ergibt.

Gesanglicher Ton und vorzügliches Nachvollziehen der Dramaturgie

Lessing spielt diese Musik mit eher schlankem, aber immer gesanglichem Ton; er vollzieht sowohl das Kantable, das Melos von Meyers Tonsprache als auch ihre expressiven Qualitäten und ihre Dramaturgie vorzüglich nach. Exemplarisch zu beobachten ist dies etwa im Capriccio interrotto, wenn man die ersten beiden Auftritte des zweiten Themas vergleicht: zunächst gesanglich-verhalten, als Moment des Innehaltens aufgefasst, mutet Lessings Spiel beim zweiten Auftreten wesentlich drängender, nervöser an. Hier findet eine Entwicklung statt, die Lessing dem Hörer ganz unmittelbar vermittelt. Klaas am Klavier erweist sich als perfekt harmonierender, für die Charakteristik von Meyers Musik ebenfalls sehr sensibler Partner. Das Beiheft ist als kurzes Gespräch zwischen Lessing und Meyer gestaltet, in der der Komponist die Hintergründe der hier eingespielten Werke konzise zu vermitteln versteht. Eine vorzügliche Veröffentlichung!

Holger Sambale [08.12.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Krzysztof Meyer
1Capriccio interrotto op. 93 00:10:25
2Sonate Nr. 1 op. 36 für Violine solo 00:15:56
4Misterioso op. 83 00:07:02
5Sonate Nr. 2 op. 133 für Violine solo (Kolja Lessing gewidmet) 00:19:07
8Geigen-Krämchen op. 55 (7 Stücke für Kinder) 00:11:38

Interpreten der Einspielung

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