CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Swiss Treasures

Chamber Music for Wind Quintet

Prospero Classical PROSP0081

1 CD • 62min • 2021

30.09.2023

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

Die schweizerische Komponistenlandschaft besitzt schon allein wegen der Vielsprachigkeit des Landes eine große Spannweite, was die Anknüpfungspunkte an unterschiedliche Musiktraditionen jenseits ihrer Grenzen betrifft. Das erst 2020 gegründete portugiesische Bläserquintett Art’Ventus widmet sich in seiner Debüt-CD vier Tonsetzern der Schweiz, die auf der internationalen Bühne teils noch wenig bekannt sein dürften. Die Stücke von Peter Mieg und Paul Huber erscheinen sogar als Erstaufnahmen.

Peter Miegs Bläserquintett von 1977

In den Kompositionen des Aargauer Komponisten und promovierten Kunstgeschichtlers Peter Mieg (1906-1990) spiegelt sich eine gewisse Bewunderung für seinen Landsmann Frank Martin. Das knappe, dreisätzige Bläserquintett von 1977 lebt nicht zuletzt durch seine elaborierte Chromatik, die aber den tonalen Rahmen nie verlässt und orientiert sich sowohl an Frankreich als auch barocken Vorbildern. Andererseits dominiert eine geradezu pastorale Idylle, die man durchaus mit lieblichen Berglandschaften assoziieren darf. Das Art’Ventus Quintet bleibt klangschön, jedoch ebenso blass wie der nie überbordende Ausdruckswille der Musik. Aufnahmetechnisch erscheint – nur hier – das Fagott gegenüber dem Horn etwas unterbelichtet.

Engagiert und humorvoll

Einerseits tiefgründiger, zugleich spritziger und humorvoller, gestalten die Portugiesen das Adagio und Scherzino (1963) Paul Hubers (1918-2001), der in St. Gallen wirkte. Das eher düstere, gehaltvolle Adagio findet im spielerisch witzigen Scherzino, wo dann zwei Volksliedthemen eingebaut sind, einen adäquaten Gegenpart. Kurzweilige Unterhaltung bietet ebenfalls das fünfsätzige Divertimento (1977) von Gion Antoni Derungs (1935-2012) aus dem Bündner Oberland, der als Einziger „modernere“ Elemente wie mikrotonale Schwankungen usw. einsetzt, aber völlig verständlich bleibt; hinreißend das abschließende Perpetuum mobile.

Paul Juon als Höhepunkt der CD

Der bekanntere Name unter den vorgestellten Komponisten ist Paul Juon (1972-1840): Mit graubündner Wurzeln in Moskau gebürtig und noch Schüler von Arensky und Tanejew – deutlich spürbar etwa in seinen frühen Symphonien –, holte ihn Joseph Joachim 1906 als Professor für Komposition nach Berlin. Ab 1934 lebte er zuletzt in Vevey, woher seine zweite Frau stammte. Juons Kammermusik ist hochbedeutend, knüpfte zwar zunächst an Brahms an, verschloss sich allerdings nicht neueren Entwicklungen. Das spürt man besonders im Quintett von 1928, das den erfahrenen Komponisten auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Dem Sonatenhauptsatz mit fugierter Durchführung und einem hochexpressiven Larghetto folgt ein virtuoses Finale, das beinahe neoklassizistisch beginnt, später aber volkstümliche Elemente mit einbringt – absolut großartig! Hier scheint sich das Art’Ventus Quintet wirklich zuhause zu fühlen. Überzeugend präsentieren die Musiker mit perfekter Intonation und Sinn für die enorm facettenreiche Farbigkeit ein echtes Meisterwerk. Bis auf die unausgeglichene Balance bei Mieg begeistert auch die Tontechnik. Ungewöhnlich für eine Prospero Debüt-CD, verliert das ansonsten informative Booklet kein einziges Wort zu den Künstlern – allesamt mit beachtlicher Orchestererfahrung und teilweise bereits Professur, und selbst deren Website (artventusquintet.pt) verrät nicht wirklich deren Bezug zur schweizerischen Musik. Allemal eine interessante Repertoirebereicherung.

Martin Blaumeiser [30.09.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Art'Ventus Quintet (Bläserquintett)