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Besprechung CD

Modern Bridges

Tetrapod Ensemble

Ars Produktion ARS 38 641

1 CD • 68min • 2021

14.09.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

„Moderne Brücken“ will das Ensemble Tetrapod auf seiner ersten CD bauen, und dies in mehrfacher Hinsicht. Zunächst geht es um Grenzübergänge zwischen Musikrichtungen, Crossover also, zwischen Klassik und Jazz und darüber hinaus. Andererseits werden auch Brücken zwischen verschiedensten Ländern und Kulturen geschaffen bis hin zu einer kleinen „Reise in den Orient“. Alles zusammen ergibt dies ein recht buntes und vielgestaltiges Programm, ansprechend unterteilt in vier Teile, die unterschiedlichen Aspekten und Schwerpunktsetzungen entsprechen.

Kapustins spannungsvolles, „quasi-sinfonisches“ Trio

Am Beginn steht mit dem 2003 ursprünglich für Blechbläserquartett komponierten The Iron Tetrapod des Schweizers Daniel Schnyder (Jg. 1961) eine beschwingt-lebhafte, rhythmisch pointierte kleine „Ouvertüre“, aufbauend auf modalen Skalen und teils mit übermäßigen Dreiklängen gewürzt. Auch das zweite Stücke dieser „Crossovers“ (so der Titel von Teil 1) stammt von Schnyder: hier verbirgt sich hinter dem Titel A Friday Night in August (1996) eine Art dreiteilige Rhapsodie, die die verschiedenen Musikstile, die an einem solchen Abend im New Yorker Upper Central Park zu vernehmen sind, panoramenhaft zusammenfasst. Der zweite Teil, die „Jazz Symphony“, wartet mit dem Trio für Flöte, Cello und Klavier op. 86 (1998) von Nikolai Kapustin (1937–2020) auf, dessen Musik sich dieser Tage immer größerer Popularität erfreut. In der Tat handelt es sich hierbei um ein zwar konzise gehaltenes, aber doch größer angelegtes Werk als die übrigen Stücke auf der CD. Gleich der erste Satz reizt das dramatische Potenzial, das der Jazzmusik innewohnt, dynamisch, manchmal regelrecht eruptiv aus; lyrisch-meditativ dann der zweite Satz, in dessen Mittelteil Flöte und Cello innig-kontrapunktisch dialogisieren, während das effektvolle, manchmal mit einer perkussiven Note aufwartende Finale ganz im Sinne einer überschäumenden joie de vivre gehalten ist. Eine kurze Reminiszenz an den ersten Satz kurz vor Schluss verleiht dem spannungs- und wirkungsvollen Trio, das sicherlich einen der Höhepunkte des Programms darstellt, zyklische Rundung. Ihm zur Seite steht eine kurze, hübsche Gershwin-Hommage des ungarischen Klarinettisten und Komponisten Béla Kovács (1937–2021), der Freunden ungarischer Musik aus zahlreichen Einspielungen ein Begriff sein dürfte.

Von einer Reise in den Osten bis zur stilisierten Techno-Parade

Es folgt die besagte „Oriental Voyage“ mit einer Miniatur des Tataren Talgat Khasenov (Jg. 1973), in der Verarbeitung von Folklore eher an „Weltmusik“ orientiert ist als an (ja ebenfalls mannigfaltig vorhandenen) sowjetischen Traditionen. Travel East der gebürtigen Bulgarin, heute in Luxemburg lebenden Albena Petrovic Vratchanska (Jg. 1965) ist vom Klangbild her das wohl „avantgardistischste“ der hier versammelten Werke, da Folklore hier mit allerhand erweiterten Spieltechniken kombiniert wird (wobei das Stück grundsätzlich modal gehalten ist). Aleksey Igudesmans (Jg. 1973) Mandala’s Waltz ist wie alle drei „orientalischen“ Stücke speziell für das Tetrapod Ensemble entstanden; hier werden bestimmte symbolische Zahlen- und Buchstabenfolgen in einen recht eingängigen, von einer charakteristischen kreisenden Geste geprägten Walzer „umgemünzt“. In der virtuosen Suite Off Piste (1996, 2019) des Schweden Svante Henryson (Jg. 1963) werden Klarinette und Cello „abseits der Ski-Piste“ geführt; nett die Idee, den dritten Satz aus einem vermeintlichen Stimmen der Instrumente (mit Flageolett-A im Violoncello) heraus zu entwickeln. Dieser Teil 4 des Programms, die „Modern Bridges“, wird mit der Techno-Parade (2000) von Guillaume Connesson (Jg. 1970) beschlossen, die weit mehr ist als eine bloße Adaption von Technomusik auf die Besetzung Flöte, Klarinette und Klavier: es sind eher Impressionen, Stilisierungen, sicher geprägt von frenetischer Motorik, dabei effektvoll und abwechslungsreich (inklusive plötzlichen Innehaltens) gestaltet.

Facettenreiche Interpretationen von hoher Spielkultur

Die vier Musiker des Tetrapod Ensembles bilden eine ausgesprochen homogene, aufeinander abgestimmte Formation. In Kovács After you, Mr. Gershwin ist sicherlich Damien Bachmanns nuanciertes, frei schwingendes Spiel hervorzuheben, man beachte hier aber auch das subtile Ausleuchten der Nebenstimmen durch François-Xavier Poizat am Klavier. Nuriia Khasenova an der Flöte steht u.a. in Kapustins Trio oder in den virtuosen Passagen von Connessons Parade besonders im Fokus, während man die schlanke, variable Tongebung des Cellisten Christoph Croisé exemplarisch etwa in Schnyders Friday Night nachvollziehen kann (gitarrenartige Pizzicati, Arpeggien in hohen Lagen, Flageoletts etc.). Begleitet wird diese CD von einem engagierten, detaillierten Beiheft; am Rande sei angemerkt, dass es sich bei Connessons Pour sortir au jour genau genommen um kein Orchesterstück im engeren Sinne, sondern um ein Flötenkonzert handelt. Facettenreiche, kraftvoll-intensive, dabei stets flexible Darbietungen mit Schwung und Verve.

Holger Sambale [14.09.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Daniel Schnyder
1The Iron Tetrapod 00:03:33
2A Friday Night in August 00:08:44
Nikolai Kapustin
3Trio op. 86 für Flöte, Violoncello und Klavier 00:18:19
Béla Kovács
6After You, Mr. Gershwin 00:04:22
Talgat Khasenov
7Ak-Kalfak 00:03:14
Albena Petrovic Vratchanska
8Travel East op. 229 00:07:56
Aleksey Igudesman
9Mandala's Waltz 00:05:50
Svante Henryson
10Off Pist (Suite) 00:11:58
Guillaume Connesson
13Techno-Parade 00:04:23

Interpreten der Einspielung

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