Dimitris Papadimitriou
Piano Concert No 1 • Miniatures

MDG 901 2229-6
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2021
13.05.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Palette des Labels MDG ist seit jeher breit, und mit der vorliegenden SACD erweitern die Detmolder ihren Katalog um einen zeitgenössischen griechischen Komponisten, dessen Musik bislang in erster Linie in seiner Heimat auf Tonträger verfügbar gewesen ist. Die Rede ist von Dimitris Papadimitriou, Jahrgang 1959, geboren in Alexandria als Sohn einer griechischen Familie, die im Laufe seiner früheren Kindheit wieder nach Griechenland übersiedelte. Papadimitriou selbst sieht sich als Spross vieler Kulturen und musikalischer Welten, als Kosmopolit mit griechischen Wurzeln. Wer in Griechenland zu seinen Lehrern zählte, ist aus den Quellen nicht ganz ersichtlich, der Unterricht bei so namhaften Komponisten wie Henri Dutilleux, George Perle, Steve Reich und John Williams erfolgte im Rahmen von Sommerkursen.
Bunte, filmisch geprägte orchestrale Miniaturen
Einen wesentlichen Schwerpunkt in Papadimitrious Schaffen bildet die Filmmusik, und hiervon zeugen auch die auf dieser CD versammelten Werke, obwohl es sich dabei offenbar nicht explizit um Musik für den Film handelt. Besonders deutlich wird dies in den Auszügen aus Dreams Errants, einer Suite von ursprünglich wohl zwölf orchestralen Miniaturen, von denen vier auf dem vorliegenden Album vertreten sind. Dies ist bunte, in den schnelleren Sätzen rhythmisch geprägte (und mit reichlich Schlagwerk versehene), unmittelbar zugängliche, direkte Musik, mal im Stile eines Walzers (Nr. 2), mal im Stile einer Elegie (Nr. 4), modal gehalten, mit einer leicht geschärften, aber stets tonalen Harmonik.
Elementare Fundamente
Ambitionierter und wesentlich ausladender ist das Klavierkonzert Nr. 1, wie vom Komponisten selbst im Beiheft mit einigem Pathos verkündet: „ein Loblied auf das einsame Heldentum des modernen Menschen“, „dieser Kampf ist unendlich, gewaltig und schmerzhaft“. In der Tat spart Papadimitriou nicht mit Erregung suggerierenden Elementen wie crescendierenden Paukenwirbeln oder Streichertremoli, die Ecksätze sind in einem recht hartnäckigen, trotzigen Es-Moll gehalten, und insgesamt dominieren gedecktere Farben als in den Miniaturen. Dabei sind wesentliche musikalische Parameter allerdings im Grunde genommen recht einfach gehalten: Grundlage der Melodik bilden oftmals Skalen oder Dreiklangsbrechungen, deren häufige Wiederholungen an Minimal Music denken lassen, die Begleitung beschränkt sich teilweise auf lang gehaltene Stützakkorde (vgl. etwa die langsamen Passagen des Finalsatzes), die Harmonik ist zumeist eher konventionell. Über 37 Minuten hinweg, deren 17 allein schon das Finale einnimmt, wirkt all dies zu lang, die thematische Substanz zu dünn (wobei: was man aus ganz lapidaren Grundmotiven alles machen kann, demonstriert etwa Boris Tschaikowskis Klavierkonzert ganz eindrucksvoll, aber die dort erfolgende Veredelung des Materials, seine meisterhafte Verarbeitung, das Spiel mit Beschränkungen findet man bei Papadimitriou nicht). So mutet die Musik über weite Strecken vor allem statisch an; Momentum, Bewegung über einen längeren Zeitraum stellt sich kaum einmal ein. Hinzu kommt, dass die Orchestrierung tendenziell zu basslastig ist.
Ähnlich auch Incompleteness, eine Art sinfonische Elegie und Hommage an Kurt Gödel. Prinzip ist hier, Dissonanzen so aufzulösen, dass daraus wieder eine neue Dissonanz entsteht, wobei es sich meistens um recht milde Dissonanzen handelt, die die Grundtonart h-moll kaum verschleiern. Pollock, Teil einer Kollektion von sinfonischen Portraits ausgewählter Maler, wirkt etwas avancierter, wobei die Kombination von motorisch-rhythmisch geprägten, fortlaufend wiederholten Grundmotiven zusammen mit Effekten wie quietschenden Glissandi nicht nur an Minimal Music, sondern auch an diverse Maschinenmusiken der 1920er Jahre (à la Mossolow) denken lässt.
Passable Darbietungen
Titos Gouvelis am Klavier (im Konzert) und das Staatsorchester Athen unter der Leitung von George Petrou bieten passable Darbietungen dieser Werke, die auch von gelegentlichen leichteren Intonationsproblemen oder Wacklern im Zusammenspiel (Pollock) nicht entscheidend gemindert werden. Der Begleittext stammt vom Komponisten selbst. Leider werden keinerlei Entstehungsdaten genannt; dafür möchte der Komponist den „Geist“ hinter den Noten erklären, i.d.R. in quasi-philosophischen Ausführungen. Dass er die griechische klassische Musik erst in den 1970er Jahren beginnen lässt (jedenfalls solche, die traditionelle griechische Musik in dem von ihm postulierten Sinne mit einbezieht), ist natürlich angesichts von Meistern wie Manolis Kalomiris (dem Begründer der Griechischen Nationalen Schule), Dimitri Mitropoulos (der ein beachtlicher Komponist war), Nikos Skalkottas oder auch Dimitris Dragatakis (dessen sechs Sinfonien sich auch einmal ein Plattenlabel unserer Tage annehmen dürfte) u.v.m. mit einem deutlichen Fragezeichen zu versehen. So fällt das Fazit zu dieser Produktion doch eher verhalten aus.
Holger Sambale [13.05.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Dimitris Papadimitriou | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 1 | 00:37:02 |
4 | Incompleteness | 00:09:00 |
5 | Pollock | 00:06:19 |
6 | Miniatures Suite (Dreams Errants) | 00:14:12 |
Interpreten der Einspielung
- Titos Gouvelis (Klavier)
- Athens State Orchestra (Orchester)
- George Petrou (Dirigent)