Emilie Mayer
Symphonies 1 & 2
cpo 555 293-2
1 CD • 64min • 2019
31.08.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sie bezeichnete sich selbst als Berufskomponistin. Tatsächlich versetzte erst das Erbe ihrer Eltern die im mecklenburgischen Friedland geborene Emilie Mayer (1812-1883) in die Lage, sich Zeit ihres Lebens allein ihrer Profession widmen zu können. Schon bald nach ihrem Studium bei Carl Loewe (er attestierte ihr ein „gottbegnadetes Talent“) und Adolf Bernd Marx konnte sich die Apothekerstochter als Komponistin etablieren. Europaweit erntete sie großen Applaus vom Publikum und hohes Lob von der Kritik für ihre Vokal-, Kammer- und Orchestermusik. Acht Sinfonien hat Emilie Mayer hinterlassen, von denen die ersten beiden Gattungsbeiträge um die Mitte der 1840er Jahre entstanden sein dürften.
Lustvolles Spiel mit Hörgewohnheiten
Bert Hagels, der Autor des CD-Begleittextes, vermutet hinter der Sinfonie Nr. 1 c-Moll eine Studienabschlussarbeit bei Carl Loewe. Mit Blick auf Form, Tonsatz und Tonsprache sind klassische Vorbilder nicht von der Hand zu weisen. Doch was erstmal „nur“ gefällig in sich ruhend oder gar recht harmlos klingt, entpuppt sich schnell als eine Musik voller Energie und tiefer Emotionen, durchsetzt mit starken Kontrasten und Akzenten. Die motivische Vielfalt und Vielgestaltigkeit, kunstvolle Kontrapunktik, die einfallsreichen und Staunen machenden Modulationen und Klangeffekte oder der meisterliche Spannungsauf- und -abbau: all das zeugt von einer überquellenden Kreativität und großen Lust am Experimentieren, auch in Sachen Formbehandlung und Satztechnik. Diese Musik spricht einfach Kopf und Herz gleichermaßen an. Deutlicher als in ihrer ersten Sinfonie zeigt Emilie Mayer in der Sinfonie Nr. 2 e-Moll, dass sie kaum etwas auf Konventionen und Hörgewohnheiten gibt. An erster Stelle scheint die Dramaturgie zu stehen, das atmosphärische Spiel mit dem thematischen Material, der Spannungserzeugung und der Instrumentation; formale Aspekte spielen nur die zweite Geige. Und doch kommt dieses im Tonfall überaus romantisch gehaltene Werk nicht nur viel origineller daher, als Emilie Mayers sinfonischer Erstling, sondern auch deutlich dramatischer und spannungsvoller, vor allem aber in sich weitaus geschlossener.
Engagiertes Votum für die Komponistin
Dass die Originalität und über jeden Zweifel erhabene handwerkliche Meisterschaft Emilie Mayers so schnell wieder in Vergessenheit geriet, mag daran liegen, dass die Komponistin mit einem bis dahin so nicht dagewesenen Selbstbewusstsein in eine Männer-Domäne einbrach und zum Leidwesen so mancher Zeitgenossen und Kollegen auch noch Erfolg hatte. Der Umstand, dass es keine Kinder, Verleger oder sonstige ihr nahestehenden Personen gab, die sich nach dem Tod Emilie Mayers um deren bis heute größtenteils nur handschriftlich vorliegenden kompositorischen Nachlass hätten kümmern können, scheint mir in diesem Zusammenhang aber von größerer Bedeutung. Um so erfreulicher ist das in jedem Moment hoch gespannte Engagement der transparent und mit großem Einfühlungsvermögen, der einfach exzellent aufspielenden NDR Radiophilharmonie unter Leo McFall. Was bleibt, ist der Wunsch nach einer Kompletteinspielung aller acht Sinfonien, womit cpo eine Renaissance dieser außerordentlichen Komponistin und ihrer außerordentlichen Musik einläuten könnte.
Christof Jetzschke [31.08.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Emilie Mayer | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 c-Moll | 00:33:09 |
5 | Sinfonie Nr. 2 e-Moll | 00:30:40 |
Interpreten der Einspielung
- NDR Radiophilharmonie (Orchester)
- Leo McFall (Dirigent)