Kinder des Liechts Virtuose Laudationes und kleine geistliche Concerti
Thomas Selle, Kinder des Liechts
Coviello Classics COV 92214
1 CD • 58min • 2021
02.02.2023 • 9 9 9
Genauere Fakten zu Thomas Selles (1599-1663) Kindheit und Jugend sind zwar mangels authentischer Belege weitgehend unbekannt, doch legen Hinweise aus seinen Schriften nahe, dass er in Leipzig von Thomaskantor Seth Calvisius (1556-1615) ausgebildet wurde. Calvisius war zu Lebzeiten nicht nur als Musiker, sondern auch als Mathematiker und Astronom berühmt – konnte somit durchaus als Universalgelehrter gelten; Selles akademische Ausbildung dürfte also auf höchstem akademischen Niveau seiner Zeit stattgefunden haben.
Der Rezensent gesteht, dass er sich vorurteilsbehaftet getäuscht hat: Die junge Pianistin Katie Mahan posiert auf dem Cover ihrer CD auf dem Müllner Steg in Salzburg wie ein Klavier-Girlie, blickt elegisch nach oben, fixiert bedeutsam den Betrachter oder scheint mit geschlossenen Augen zu träumen. Bei den ersten gespielten Noten aber fährt man wie von einem Stromstoß getroffen auf: Da hört man Kraft und Zartheit, Form-Souveränität und spielerische Virtuosität, vor allem: Ernsthaftigkeit.
Seit zwanzig Jahren bilden der Cellist Kirill Timofeev, auch als Mitglied des Rastrelli-Celloquartetts bekannt, und der Pianist Evgeny Sinaisky, Sohn des Dirigenten Vassily Sinaisky, ein Duo, und mit „Lost in Style“ liegt nun ihr erstes gemeinsames Album vor. Dahinter verbirgt sich eine locker gefügte Zusammenstellung von Zyklen und Einzelstücken von Komponisten aus dem russischen bzw. sowjetischen Kulturraum, teils Exilanten, in denen die besagten Stilisierungen, das Aufgreifen und Arrangieren spezifischer Idiome also, eine zentrale Rolle spielen.
Louis Spohr, The Complete Works for Clarinet & Orchestra
cpo 555 151-2
2 CD • 1h 58min • 2017, 2019
30.01.2023 • 10 10 10
Christoffer Sundquist und die NDR Radiophilharmonie Hannover legen erstmalig sämtliche Werke für Klarinette und Orchester von Louis Spohr (1784-1859) vor. Diese sind durchweg aufregend und spannend, gehen sie doch in ihren virtuosen Anforderungen weit über die Klarinetten-Werke Mozarts und Carl Maria von Webers hinaus. So etwas kann passieren, wenn ein Geiger für Blasinstrumente schreibt und der Auftraggeber alle Energie dareinsetzt, die Anforderungen des Komponisten zu erfüllen.
Zu dem Begriff der Klavierphantasie schreibt Jürgen Uhde (in „Beethovens Klaviermusik I, Stuttgart 1980, S. 113f) treffend: „Eine Phantasie zu komponieren ist letztlich ein Widerspruch in sich selbst. Denn ‚Phantasieren‘, ‚Improvisieren‘ heißt, innerhalb eines Formplans im Einzelnen spontaner Eingebung zu folgen, während das ‚Komponieren‘ genaueste Planung bis ins letzte Detail voraussetzt… Indessen ist keine der Phantasien der Klavierliteratur wirklich nur aufgeschriebene Improvisation, sondern in jedem Fall sorgfältig geplante Komposition.“ Beim Hören diese CD mit gesammelten Klavierphantasien von Bach bis Brahms kommt man zu der Meinung, dass Claudia Schellenberger die „sorgfältig geplante Komposition“ bekräftigen möchte.
Auf eine Virtuosenreise durch deutsche musikalische Landschaften am Anfang des 18. Jahrhunderts lädt Johannes Pramsohler mit seinem Ensemble Diderot seine Zuörer auf dieser CD ein. Dabei richtet er seine Aufmerksamkeit auf Werke, die Komponisten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert in ihr musikalisches Gepäck einsortierten, wenn sie sich auf Reisen begaben, um ihr Talent an anderen Wirkungsstätten vorzustellen und sich erhofften, für ihre Kunst Interesse zu wecken. Hier galt es also, zwei Zielvorgaben zu berücksichtigen: einerseits, seine Fertigkeiten in einer Weise zu präsentieren, dass aus dem Auftritt in der Fremde lukrative Aufträge für die eigene kompositorische Produktion gewonnen werden konnten und die Mühen und Kosten einer solchen Promotionstour in eigener Sache amortisiert werden konnten – andrerseits mussten die ins Gepäck genommenen Werke mit einem Minimum an Aufwand an Aufführungssituationen anderenorts anzupassen sein.
1st Piano Concerto and Mazurkas Margarita Höhenrieder
Frédéric Chopin, 1st Piano Concerto and Mazurkas
Solo Musica SM 400
1 CD • 69min • 2021, 2022
27.01.2023 • 10 9 9
Die Pianistin Margarita Höhenrieder sucht nach dem authentischen Chopin-Klang. Der Komponist selbst bevorzugte Klaviere der Firma Pleyel. Für ihre Aufnahme wählte die Pianistin daher einen Pleyel-Hammerflügel, der um 1855 in Paris entstand und originalgetreu restauriert wurde – er ist absolut baugleich mit jenem Instrument, das Chopin besaß. So wird es im Beiheft von der Pianistin erklärt, die für ihre Aufnahme der Mazurken zudem einen kleineren Saal wählte. So kann der Hörer eine Zeitreise in die Salonkultur des 19. Jahrhunderts unternehmen.
Georg Philipp Telemann, Kantaten - Französischer Jahrgang Vol. 2
cpo 555 437-2
2 CD • 2h 13min • 2021
26.01.2023 • 10 10 10
Die zweite Folge aller Kantaten des „Französischen Jahrgangs 1714/1715“ von Georg Philipp Telemann ist wieder eine glorreiche Unternehmung. Und man ist erstaunt, ja verblüfft, ob der hohen, stets wortgezeugten Kompositionskunst Telemanns – vor allem in den Rezitativen, die ja schnell langweilen können – und ob der großen Vielfalt in einer kompakten, am Szenenaufbau der französischen Oper Lullys orientierten Struktur mit vielen französischen Tanzformen sowie der oft ausgefallenen Klangfarben. Demzufolge schwärmt das kenntnisreiche und ausführliche Booklet mit Recht und weist insbesondere darauf hin, dass die Bezeichnung „Französische Kantaten“ daher rührt, dass Telemann sich hier dem französischen Stil verschreibt, auch mit den typisch punktierten Ouvertüren.
Das mehrfach preisgekrönte Klaviertrio Imàge musiziert seit 2008 in der aktuellen Besetzung. Auch auf seiner nunmehr vierten CD beweist es Mut zu unbekanntem Repertoire: Im Mittelpunkt steht das monumentale, hochromantische Klaviertrio b-Moll von Pantscho Wladigerow. Der bulgarische Komponist schrieb das Trio, sein Opus 4, während des Studiums in Berlin. Es lässt eine originelle Melodik und Harmonik sowie Spuren bulgarischer Folklore erkennen.
Auf CD sind Antonín Dvořáks Slawische Tänze weitaus häufiger in der vom Komponisten besorgten Instrumentation, denn in der Originalversion für Klavier vierhändig zu finden. Deshalb ist zunächst einmal jede Neueinspielung dieser von der Nationalmusik- inspirierten Werke in dieser Besetzung verdienstvoll.
Auch wenn der Thomaskantor Johann Hermann Schein (1586-1630) mit Schütz und Scheidt zu den drei großen „S“ des musikalischen Frühbarocks gehört, wird er im Konzertleben eher wenig berücksichtigt. Zu Unrecht, wenn man sein 1623 veröffentlichtes Israelsbrünnlein hört, diese Sammlung von „geistlichen Madrigalen“ in „Italian-Madrigalischer Manier“, wie Schein selber es ziemlich widersprüchlich formuliert. Das Booklet erklärt es kundig: Motetten sind geistliche Vokalwerke in lateinischer Sprache, die den Text auslegen. Madrigale sind weltliche Vokalwerke in deutscher Sprache, die die Musik zu emotionaler Sprache werden lassen, zu einer „rhythmisch einheitliche(n) Deklamation, um diese Rede textverständlich zu halten“.
Angesichts der Zeitläufte ihrer Lebensspanne liest sich Hélène de Montgeroults (1764-1836) Biographie wie ein Abenteuerroman: Ein Wunderkind im Frankreich Ludwigs XVI.; dann zweimal während der Revolution inhaftiert, konnte sie während der Herrschaft des Terrors ihr Leben bewahren und wurde schließlich Professorin am 1795 gegründeten Conservatoire de Musique in Paris – als erste Frau in einer solchen Position. Obwohl nur acht Jahre jünger als Mozart, zeigt ihre Musik deutlich die Kennzeichen des romantischen Stils – es ist sicherlich zutreffend, ihrem Musikstil eine Brückenfunktion zwischen Mozart und Chopin zuzuschreiben, wie es verschiedentlich geschehen ist.
Gerade mal 17 und 19 Jahre alt waren das Geschwisterpaar Zala und Val Kravos aus Slowenien, als sie diese CD im Jahre 2021 aufnahmen. Die gemeinsame Spontaneität und Spielfreude und der juvenile Charme leuchten bei allen gespielten Stücken geradezu heraus. Frisch, immer vorwärtsdrängend, mit vollem Elan und Schwung und voll gespannter Intensität erklingt Mozarts Sonata KV 381, zart, zärtlich, ja zauberhaft, aber beileibe nicht weichlich und in großen melodieübergreifenden Bögen, in spannungsvoller Ruhe und mit klar gezeichneten und gleichmäßigen Verzierungen gespielt ist dessen langes Andante.
Edition Klavier-Festival Ruhr, Robert Schumann und York Höller
Initiativkreis Ruhr 8553519
2 CD • 2h 31min • 2022
20.01.2023 • 9 9 9
Seit rund 25 Jahren dokumentiert das Klavier-Festival Ruhr ausgewählte Konzerte in Rahmen einer umfangreichen CD-Edition, und so handelt es sich bei der vorliegenden Doppel-CD mit Mitschnitten des vergangenen Jahres bereits um die 41. Folge dieser Anthologie. Auf der ersten CD interpretieren die beiden Festival-Debütanten Elena Fischer-Dieskau und Giorgi Gigashvili Werke Robert Schumanns, während die zweite CD (u.a. mit Hanni Liang, Martin Helmchen sowie der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker) dem Schaffen York Höllers (Jg. 1944) gewidmet ist. Im Falle seines Doppelkonzerts für Violoncello, Klavier und Orchester handelt es sich sogar um die Uraufführung eines Auftragswerks des Festivals.
Der Franzose Paul Paray, Jahrgang 1886, machte sich als Dirigent einen Namen. Weniger bekannt ist, dass er zunächst die Laufbahn eines Komponisten einschlug. Als junger Mann von 25 Jahren gewann er 1911 sogar den prestigeträchtigen „Prix de Rome‟. Den damit verbundenen Aufenthalt in der Villa Medici musste er jedoch abbrechen, da der Erste Weltkrieg ausbrach und er eingezogen wurde.
Zwei volle Seiten beansprucht die aus seiner englischen Homepage ins Booklet dieses Albums übernommene Vita des polnischen Komponisten Paweł Łukaszewski (Jg. 1968) – eine nicht enden wollende Aufzählung gewonnener Preise und leitender Funktionen im Universitäts- und Musikbetrieb. Ob er in Deutschland so bekannt ist wie in seiner Heimat oder in England, weiß ich nicht. In jedem Fall dürften die meisten hier vorgelegten Kompositionen für die Hörer neu sein, bei acht von den elf Titeln handelt es sich um Weltersteinspielungen.
Dinara Klinton, Niederrheinische Sinfoniker, Mihkel Kütson
Mili Balakirev, Dinara Klinton, Niederrheinische Sinfoniker, Mihkel Kütson
MDG 952 2236-6
1 CD/SACD stereo/surround • 68min • 2021
17.01.2023 • 9 9 9
Der berühmteste russische Komponist? Tschaikowsky natürlich! Auch wenn man sein OŒuvre und seine Bedeutung nicht schmälern will, so lohnt es sich doch auf jeden Fall, auch die Musik um Tschaikowsky herum zu entdecken. Hierzu gehört auch die Musik Mily Balakirevs, der seinerseits alles andere als ein Unbekannter war: Balakirev prägte die russische Musik im 19. Jahrhundert ganz entscheidend. Gemeinsam mit César Cui, Modest Mussorgsky, Nikolai Rimsky-Korsakov und Alexander Borodin bildete er die Gruppe „Das mächtige Häuflein“, das sich einer russischen Musik frei von westlichen Einflüssen und ohne die Einschränkungen durch ein akademisches Studium verschrieben hatte.
Grażyna Bacewicz (1909-1969), die jugendliche Hochbegabung als Geigerin und Komponistin, erhielt nach frühen Abschlüssen in Polen bei Carl Flesch und Nadia Boulanger in Paris den letzten Schliff. Für die Förderung polnischer Komponistinnen wurde sie später zu Recht eine Ikone. Gerade ihr symphonisches Schaffen – in ihrer Heimat mittlerweile neben den Werken Lutosławskis oder Pendereckis Standardrepertoire – hat leider noch nicht so richtig den Weg in den Westen gefunden. Umso erfreulicher, dass cpo für seine nun begonnene Gesamtaufnahme unter Łukasz Borowicz das WDR Sinfonieorchester gewinnen konnte.
An Klanglandschaften mangelt es nicht in der Musik, vor allem nicht, wenn mit diesem Begriff der Versuch unternommen wird, musikalische Erlebnisse mit Worten und Assoziationen zu beschreiben. Im Falle des portugiesischen Komponisten Luiz Costa darf so etwas ruhig einmal wörtlich genommen werden. Denn Costa ließ sich in seinen zwischen 1916 und 1931 entstandenen Poemas do Monte unmittelbar von Landschaft inspirieren, vor allem von der Bergwelt als ihrer mächtigsten Ausprägung.
Die vorliegende Neuerscheinung des Labels Ars Produktion ist „The Essential Hebrew Violin“ betitelt, wobei man bei näherem Hinsehen feststellt, dass es gar nicht so einfach ist, das recht bunte, insgesamt 50-minütige Programm kurz auf einen Nenner zu bringen. Konzipiert von der Schweizer Geigerin Anne Battegay, ist das verbindende Element aller zehn Stücke ein Bezug zu jüdischer Kultur. Fast alle Werke sind von jüdischer Musik inspiriert (nur bei Fritz Kreislers Marche miniature viennoise steht der Bezug zu Wien an erster Stelle), und die Mehrzahl der Komponisten hat einen jüdischen Hintergrund, es sind aber auch Werke von Ravel, Bruch und Prokofjew enthalten.
Wohl kaum jemand, der das Klaviertrio op. 1 von Erich Wolfgang Korngold zum ersten Mal hört, käme auf die Idee, dass es sich um eine Komposition handelt, die ein Dreizehnjähriger „seinem lieben Papa“ widmete. Deshalb hat es durchaus seine Berechtigung, dass das Feininger Trio diesen Geniestreich dem mittleren der drei Klaviertrios von Johannes Brahms gegenüberstellt.
Mehr als zwei Jahrzehnte war Eberhard Klemmstein (Jg. 1941) als freier Bratschist und Kammermusiker erfolgreich, als er 1985 neben diesen Tätigkeiten systematisch zu komponieren begann. Seither hat er ein reiches und vielseitiges Œuvre geschaffen, zu dem neben Kammermusik in verschiedenen Besetzungen auch Opern und Sinfonien zählen. Das Kunstlied nimmt in seinem Werkverzeichnis einen überschaubaren, aber dennoch gewichtigen Raum ein. Denn Klemmstein, der sich stilistisch selbst als „Expressionist mit weitgehend tonaler Prägung“ einordnet, greift wie seine großen Vorgänger des 19. Jahrhunderts literarisch zu den Sternen – zu Goethe, Eichendorff, Heine, Rilke und Hesse – und sucht ihnen musikalisch mit Respekt, aber auch eigenwillig nahe zu kommen, keineswegs epigonal, sondern immer um einen persönlichen Ton bemüht.
Bei soviel Musik in der Verwandt- und Partnerschaft muss Außerordentliches herauskommen: Die Pianistin Elena Bashkirova ist 1958 als Tochter des Pianisten Dmitri Bashkirov geboren, bei dem sie am Tschaikowski-Konservatorium auch studiert hat. Sie war mit Gidon Kremer und ist seit 1988 mit Daniel Barenboim verheiratet, ein Sohn ist Songwriter (David), einer Geiger (Michael). Elena Bashkirova ist 2018 mit dem Preis des Klavier-Festivals Ruhr ausgezeichnet worden, 1998 hat sie das International Jerusalem Chamber Music Festival gegründet, dessen künstlerische Leiterin sie ist. Regelmäßig gastiert sie bei den besten Orchestern – aber CDs hat sie bisher nur relativ wenige aufgenommen, diese ist die erste mit Musik von Mozart.
Auf seiner dritten Veröffentlichung für BIS kombiniert der hauptberuflich als Rechtsanwalt in London tätige, asiatisch-stämmige Paul Wee zwei der ambitioniertesten Klaviertranskriptionen des 19. Jahrhunderts. Bei aller Ernsthaftigkeit des Versuchs, die Illusion eines klassischen Symphonieorchesters auf den Konzertflügel zu bringen, gehen diese in der Wahl ihrer Mittel doch recht unterschiedlich vor. [...]
String Quartet • Flute Quintet • Pieces for String Quartet
Adolf Busch, String Quartet • Flute Quintet • Pieces for String Quartet
cpo 555 279-2
1 CD • 72min • 2019
09.01.2023 • 10 10 10
Das soll dem Ehepaar Busch erst einmal jemand nachmachen: Zu Beginn des 20. Jahrhuderts allen sieben Kindern eine künstlerische Ausbildung zu ermöglichen, die bei Dirigent Fritz, Geiger Adolf und Cellist Hermann zu Weltkarrieren führte. Dass Adolf auch ein durchaus talentierter Komponist war, beweist diese Einspielung von Kammermusikwerken des Wahl-Schweizers durch das schweizerische Sarastro-Quartett.
Zwei Komponisten, zwei musikgeschichtliche Epochen, die fast ein Jahrhundert auseinander liegen und ein Interpret, der mit seiner engagierten Diktion genau weiß, was er mit seinem Instrument und dem zugrunde liegenden Notenmaterial anfängt. Dies alles bündelt sich auf attraktive Weise bei der Aufnahme des serbischen Pianisten Nenad Lečič für das Label Kaleidos. Robert Schumanns Fantasie C-Dur op. 17 und seine Arabeske C-Dur op. 18 auf der einen Seite, andererseits Sergej Prokofievs siebte Klaviersonate B-Dur op. 83 und ein eher selten gespieltes Werk, Erzählungen einer alten Großmutter, eröffnen Klangwelten, die vordergründig wenig miteinader zu tun haben.
Drei sehr unterschiedliche Werke für Klavier und Orchester in Deutschland kaum gespielter schwedischer Komponisten stellt das BIS-Label zur Diskussion. Laura Netzel (1839-1927), die ihre Werke unter dem Pseudonym N. Lago herausgab, hatte unter anderem bei Charles-Marie Widor studiert und gehörte um 1900 zu den am häufigsten aufgeführten Komponistinnen, gerade in Deutschland und Frankreich. Sven-David Sandström (1942-2019) kennt man vor allem wegen seiner großen Kirchenmusikkompositionen, insbesondere der High Mass, die in die Formen von Bachs h-Moll Messe ganz neue Musik gießt. Neu für den Rezensenten ist Andrea Tarrodi (Jahrgang 1981), zumindest in ihrer Heimat bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet. Sie war Schülerin von Jan Sandström – nicht mit dem Namensvetter verwandt.
„In allen meinen Taten“ – so das Motto, das der Trompeter, Musikforscher und Kulturmanager Ludwig Güttler seinem Künstlerleben gegeben und als Titel für seine Abschieds-CD gewählt hat. Auch wenn es kaum zu glauben ist, da Güttler bis heute eine enorme Leistung bringt, so hat er für sich entschieden, nach einer über 65-jährigen weltweiten Karriere diese mit dem Ende des Jahres 2022 zu beenden. Was er in diesen 65 Jahren geschafft hat, lässt sich kaum niederschreiben, so umfangreich ist sein Tun
„Frei sein. Sich selbst und andere befreien, um nicht nur die Einmaligkeit des Künstlers zu dokumentieren, sondern im und aus dem Moment heraus über sich hinaus zu verweisen“ – so definiert Ralf Dombrowski in den Linernotes zur dieser CD das, was Musikmachen und noch mehr die künstlerische Freiheit dabei ausmacht. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Geiger Matthias Well und die Pianistin Lilian Akopova dieses Statement im Booklet ihrer CD „Jazzissimo“ ausgewählt haben.
Wenn es Stücke gibt, in welchen sich die phänomenalen Qualitäten der BIS-Aufnahme- und Abmischungstechnik ganz besonders lohnen, sind es die beiden wichtigsten Orchesterwerke Alexander Skriabins, die hier in sehr hochkarätigen Darbietungen mit sensationellem Klangbild dokumentiert sind. Das Album könnte ohne jede Prätention auch schlicht ’Scriabin the Ecstatic’ heißen. [...]