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Besprechung CD

cpo 777 740-2

1 CD • 54min • 2011

20.08.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

August Klughardt (1847-1902) ist heute fast ausschließlich bekannt durch sein in jeder Hinsicht gelungenes spätes Bläserquintett, das zum internationalen Kernrepertoire für Bläserquintett zählt, auch von führenden Vereinigungen regelmäßig gespielt wird und in der romantischen Epoche für diese Besetzung seinesgleichen sucht (da ist wenig von Bedeutung entstanden, was in der Folge auch beispielsweise das Quintett von Paul Taffanel zu einem Repertoirestück werden ließ). Sonst wird nichts von Klughardt gespielt, nichts von seiner gut gearbeiteten Kammermusik, von seiner ansprechenden Orchestermusik, nicht einmal das Concertstück für Oboe und Orchester, obwohl an Oboenkonzerten in der Romantik eklatanter Mangel herrscht. Damit teilt er, bis auf das eine oder andere Werk, das Schicksal der anderen Komponisten aus der sogenannten „zweiten Reihe“, die immer wieder frappieren mit ihrer immensen handwerklichen Qualität, aber auch gelegentlich mit einer Originalität, wie man sie nicht vermuten würde: Norbert Burgmüller, Nicolai, Volkmann, Raff, Cornelius, Goldmark, Jadassohn, Draeseke, Bruch, Gernsheim, Goetz, Robert Fuchs, Hans Huber, Nicodé, Reznicek, Thuille, Klose, Weingartner usw. Sie alle hatten einst ihre Verehrer und Gegner, man stellte ihre Werke in Konzerten zur Diskussion. Heute gräbt man sie aus und macht bestenfalls eine Aufnahme zum Kennenlernen.

Klughardt gibt stets eine gute Figur ab, nicht so genial wie Goetz oder Huber, aber stets von imponierendem Handwerk in allen Belangen (also Kontrapunkt, Harmonie- und Formsinn, Orchestration, rhythmische Lebendigkeit) und mit einem sympathisch ehrlichen, gemütsmäßig ausgeglichenen Grundduktus. Es besteht nicht das oftmals peinliche Missverhältnis zwischen ungeheurem künstlerischen Wollen und mittelmäßiger Erfindung oder mangelhafter Ausführung, wie es seit Berlioz, Liszt und ihren Nachfolgern immer wieder auffällt. Es kann auch nicht von existenziell ergreifender Tiefe die Rede sein. Aber von redlicher Erzählfreude, farbiger Lebendigkeit, klarem Zusammenhang, melodischer Einprägsamkeit, ausgesprochener Balance der Ausdrucksmittel. Insgesamt: der Inbegriff eines gediegenen Könners, der musikantisch zu fesseln versteht. Als Dirigent wusste er genau um die Wirkungen, die er dem Orchester entlockte, und um deren rechte Dosierung. Sein heutiger Dessauer Nachfolger Antony Hermus hat sich bereitgefunden, dem großen Vorgänger, der das Orchester von 1882 bis zu seinem Tode 20 Jahre lang leitete, hingebungsvoll Reverenz zu erweisen, mit der hiermit dritten bei cpo erscheinenden Folge von Klughardts Orchesterwerken (der zweiten unter seiner Leitung). Unter Hermus erfreut die Anhaltische Philharmonie Dessau mit durchgearbeitetem, fein abgestuftem, sensiblem Spiel, das nur selten unangenehm grelle Effekte erzeugt und meist dort kräftig ist, wo es so sein soll, und dort zarter abgetönt, wo Pauschalität tödlich wäre. Das ist selten, und ganz besonders kommt dies in der Schlussphase des langsamen Satzes der Vierten Sinfonie zum Ausdruck, in der vielleicht himmlischsten Musik, die Klughardt geschrieben hat. Diese Vierte Sinfonie, komponiert und uraufgeführt 1890, erscheint mir als seine stärkste (in jedem Fall bedeutender als die Dritte), auch wenn ich bei allem Eindruck, den der vortrefflich gearbeitete Kontrapunkt hier macht, meine Vorbehalte gegenüber den akademischen Fugato-Abschnitten gestehen muss – sie scheinen immer wieder bei den Romantikern bis hin zu Stenhammar dazu zu dienen, vorhersehbare längere Entwicklungen auszufüllen und dem Kenner zu imponieren. Doch ist dies eine Geschmackssache. Alles ist tadellos und attraktiv gearbeitet, und man kann dieser Sinfonie keinen Mangel vorwerfen, sie hat genau so ihr Anrecht auf konzertante Präsenz wie die Sinfonien Volkmanns, Raffs, Gernsheims, Draesekes oder Rezniceks. Von den späten drei Orchesterstücken op. 87 lässt sich da so nicht sagen. Vor allem der erste Satz, das harfenlastige Capriccio, ist doch sehr wenig substanziell. Das ist gut gearbeitete Unterhaltungsmusik, die größeren Reiz in der höfisch gestelzten Anmut der Gavotte im alten Stil entfaltet, und auch in der italienisch gefärbten Schluss-Tarantella, bei welcher der rhythmische Schwung mühelos über die Belangslosigkeit hinwegträgt. Auch hier sind die Darbietungen kultiviert. Sehr lesenswert ist der informative und die musikalischen Besonderheiten geschickt schildernde Begleittext von Ronald Müller, und der Aufnahmeklang in der Stadthalle Zerbst besticht mit Transparenz und Wärme. Ein gelungenes Plädoyer.

Christoph Schlüren [20.08.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
August Klughardt
1Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 57 00:37:43
5Capriccio op. 87 Nr. 1 00:06:56
6Gavotte op. 87 Nr. 2 00:04:40
7Tarantelle op. 87 Nr. 3 00:04:26

Interpreten der Einspielung

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