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Besprechung CD

Iris Rieg Today... Organ Works

crescendoaudio cra045

1 CD • 61min • 2013

20.03.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Der Titel „Today“, den die Organistin Iris Rieg für ihre neue CD gewählt hat, könnte nicht treffender sein – zumal die 1972 in Schwäbisch-Gmünd geborene Konzertorganistin und Kirchenmusikerin hier auch als phantasievolle Komponistin in Erscheinung tritt.

Denn sie favorisiert das „heute“ auf dem allergrößten Instrument, in diesem Fall auf der Rieger-Orgel in der Kölner Sankt-Agnes Kirche. Schier grenzenlos muten hier die klanglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten an und die lang nachhallende Kirchenakustik gibt dem vielfältigen Klangkosmos allen Raum, den dieser für ein packenes, ja überwältigendes Hörerlebnis braucht. Aber: Man muss sich hineinhören. Brillanz und Obertonreichtum sind auf dieser audiophilen Einspielung puristisch dosiert. Das nimmt dem Klangbild alles künstlich-aufdringliche, um dafür den Weg in die Tiefen der Musik um so nachhaltiger frei zu machen. Erfahrbar wird also die ganze physische Haptik von extrem tiefen bis himmelhoch hellen, von bedrängend nahen und mystisch fernen Klängen, welche Iris Rieg vom Spieltisch aus entfesselt.

Dabei kommt der runde, zu Beginn auch regelrecht unterhaltsam wirkende Bogen nicht zu kurz. Die berühmten Tänze und Themen aus Bizets Carmen-Oper muten vielleicht etwas exotisch im Kirchenraum an. Überraschend zudem: Die hier so lebhaft wirkende Orgelbearbeitung des Carmen-Stoffes erfolgte schon zu Bizets Lebenzeiten – nämlich durch dessen Zeitgenossen Ewin Lemare, den Iris Rieg im lesenswerten Booklet-Text als „bestbezahlten Orgelvirtuosen seiner Zeit“ charakterisiert. Plausibel für die wuchtige Klang-Pracht einer großen Orgel sind die spanischen Tänze, die rhythmisch wirbelnden Figuren, die leuchtenden melodischen Themen allemal. Zumindest, wenn jemand wie Iris Rieg weiß, die statischen Orgelklänge so beweglich wie möglich und mit sforzati und dynamischem Schwung voran zu treiben.

Dies macht den Hörer wach genug für Iris Riegs eigene Tonkunst: Reminds me – hat sie ihr sechseinhalbminütiges Stück genannt. Es ist eine musikalische Momentaufnahme, für die sie sich von der Spontaneität improvisierender Jazzmusiker inspirieren ließ. Heraus kam eine leichtfüßige, tänzerische Studie, genährt aus dem unverbrauchten Tonvorrat von Chromatik und cineastisch-atmosphärischen Mollharmonien.

Ludger Vollmer ist ein zeitgenössischer Opernkomponist, der mit seinen Adaptionen von gesellschaftskritischen Filmen wie „Gegen die Wand“ oder „Lola rennt“ von sich reden machte. Iris Rieg setzt auf der Kölner Orgel dessen dramatisch-aufwühlende Toccata in Szene. Auch das bietet großes, imaginäres Hör-Kino. Auf mächtigen Bassfundamenten türmen sich gleißende Motive auf. Dynamische Effekte und Hallwirkungen werden ausgereizt. Filigrane Parts nähren dieses aufwühlende, meist in tonaler Sprache gehaltene Wechselspiel zusätzlich.

Dann ist endlich Zeit fürs meditative Verweilen. Gaston Litaize repräsentiert die französische Schule des 20. Jahrhunderts. Ätherische, subtile Klangfarben schimmern und funkeln subtil. Liedhaft und im „atmenden Legato“ (Iris Rieg im Booklet) fließt die Melodie in getragenem Gestus durch abgeklärte, weite Räume hindurch. Die Intervalle erzeugen mystisch-fahle Stimmungen – eine Reise ins Innere, Abgeklärte.

So weltlich Iris Rieg diese CD beginnen läßt, so spiritituell führt sie das auf dieser CD verewigte, faszinierend intensive Recital ins würdige Finale. Olivier Latrys Salve Regina meditiert und paraphrasiert über einen gregorianischen Choral. Dieser modale Tonvorrat öffne die Tore weit für improvisatorisch anmutende Parts, aber auch introvertierte Reflexion. Das geht manchmal bis hin zu minimalistischen Texturen, aus denen wieder neue, brausende und treibende Tutti-Parts erwachsen. Das alles wirkt in Iris Riegs Orgelspiel immer plausibel, tiefempfunden und mit mutiger klanglicher Fantasie gesättigt. Und ist dabei nie einfach nur vordergründig- effekthascherisch.

Stefan Pieper [20.03.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Edwin H. Lemare
1Fantasie über Themen aus Bizets Oper Carmen 00:12:03
Iris Rieg
2Reminds me 00:06:34
Ludger Vollmer
3Toccata 00:11:03
Gaston Litaize
4Lied (aus Douze Pièces pour Grand Orgue) 00:06:48
Olivier Latry
5Salve Regina 00:21:52

Interpreten der Einspielung

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