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Besprechung CD/SACD stereo/surround

BIS 2061

1 CD/SACD stereo/surround • 81min • 2013

22.09.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Der 1963 geborene Brite John Pickard zählt zu den begabtesten und substanziellsten Symphonikern unserer Zeit. Nachdem er, wie beispielsweise auch der nicht weniger eigentümliche Matthew Taylor, lange Zeit als Anti-Mainstream-Geheimtip in der englischen Szene gehandelt wurde, haben die letzten Jahre nicht zuletzt dank der Aktivitäten der Labels BIS, Dutton und Toccata Classics sowie eines umfassenden Vertrags mit dem Schott-Verlag seinen allmählichen Durchbruch zu internationaler Bekanntheit gebracht.

Pickards Schaffen ist grundsätzlich freitonal, mit klaren Reminiszenzen an einfache tonale Verhältnisse, wie die abendländische Musik sie bis zum Kalten Krieg Dodekaphonie vs. Tradition selbstverständlich integrierte. Tonalität bedeutet grundsätzlich nichts weiter als harmonische Beziehung, also das, was einen bezwingenden Formzusammenhang über längere Strecken überhaupt ermöglicht, und hat insofern nichts mit Wohlklang zu tun, sondern kann – wie im Falle der Expressionisten der zwanziger Jahre oder von symphonischen Komponisten wie Robert Simpson oder bis zuletzt Anders Eliasson durchaus eine im klassischen Sinne durchweg dissonante Faktur beinhalten. Pickard nimmt hier eine sehr gelassen entspannte Stellung ein. Er ist von seiner Veranlagung her ein überraschend fesselnder Erzähler, man könnte sagen, eine Art Richard Strauss unserer Zeit – was die dramaturgisch-narrative Psychologie betrifft, nicht bezüglich der Form, des Stils, der technischen Mittel! Dies zeigt sich auch auf hier vorliegender Produktion für Brass Band und Percussion, die sowohl immenses Vergnügen bereiten als auch tiefgründigeren Bedürfnissen gerecht werden kann.

Pickard selbst hat die vorzüglich schildernde Einführung geschrieben, die zunächst einen authentischen Einblick in die freie Brass Band-Szene mit ihrer sportlichen Wettbewerbskultur inklusive der problematischen Seiten gibt. Im Zentrum steht für ihn die Entwicklung eines kollektiven Bewusstseins für die Erde, die uns die Absurdität der rücksichtslosen Ausbeutung ihrer Ressourcen und damit als Nebenwirkung einhergehend unsere bevorstehende Selbstauslöschung aus einer Perspektive sehen lässt, die über die kurzfristige Sorge um das Wohlbefinden der Menschheit hinausblicken lässt. Seine mehr als einstündige Gaia Symphony, eine symbolische Darstellung der Wirkkräfte der vier Elemente, war zunächst keineswegs als Sinfonie konzipiert. Zunächst entstand 1991 der spätere zweite Satz, das Scherzo Wildfire,dem 1995 Men of Stone folgte, das in sich selbst in vier Abschnitte gegliedert ist und in der Sinfonie das mit einer Stonehenge-Allegorie endende Finale bildet. 2002 komponierte Pickard dann ‚Tsunami’ (konflikthafter 1. Satz), und 2003 ‚Aurora’ (langsamer 3. Satz). Nun verband er die vier Sätze zu einer durchgehenden Einheit, indem er drei ‚Windows’ komponierte, ritualhafte Überleitungen für die sechs Perkussionisten, in denen die Blecharmada schweigt.

Kaum je habe ich für Brass Band eine so anspruchsvolle, dichte, die klanglichen Konventionen des Mediums so nachhaltig und gleichzeitig auf so natürliche Weise transzendierende Musik gehört, die den sinfonischen Anspruch ohne künstliches Pathos in solch wirkungsmächtiger und zugleich unablässig sprudelnd erzählerischer Weise einlöst. In der dreiteiligen abstrakten symphonischen Dichtung Eden, die sich, basierend auf Miltons prophetischem ‚Paradise Lost’, mit der Zerstörung der Erde, der Klage darüber und dem Hoffnungsschimmer eines Biotops in einem Steinbruch, einer „riesigen, vom Menschen gemachten Wunde in der Erde“, befasst, gelingt es Pickard 2005, sich selbst noch weiter zu übertreffen. Die international führende norwegische Brass Band Eikanger-Brønsvik Musikklag unter Andreas Hanson spielt phänomenal in allen Aspekten, klanglich ist das Ganze grandios eingefangen. Auch alle Skeptiker seien aufgefordert, sich in diese Welt entführen zu lassen: Zeitgenössische sinfonische, lebendige Archtitektur auf höchstem Level, die zugleich – wie zuletzt bei Tristan Keuris’ Catena – alle hergebrachten Vorstellungen davon, was Musik für Brass Band sei, über den Haufen wirft. Nun hoffen wir, dass BIS sich bald auch der vier weiteren Sinfonien John Pickards, geschrieben für Sinfonieorchester, annimmt.

Christoph Schlüren [22.09.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
John Pickard
1Eden 00:15:11
2Sinfonie Nr. 4 (Gaia Symphony) 01:05:15

Interpreten der Einspielung

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