Pavane
BIS 1773
1 CD/SACD stereo/surround • 53min • 2011
27.12.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn Produzenten oder auch ihre Interpreten eine Publikation mit einem Motto, einer zusammenfassenden Überschrift versehen, dann trifft diese Bezeichnung oft nur auf eines der gewählten Stücke zu. Ich denke da an Überschriften wie „Für Elise", „Liebesträume", „Adagio" oder „Tristesse", mit denen Hörer (und Käufer) auf niedrigem Wissensstand sich wenigstens in einem Punkt des reichen literarischen Angebots bestätigt fühlen dürfen. Wenn sich hier nun der Bratscher Maxim Rysanov und der Pianist Ashley Wass unter Devise „Pavane" in durchwegs gemächlichem Aufführungstempo auf die Reise begeben, dann trifft das jedoch doppelter Hinsicht ins Schwarze, ins Klingende. Zum einen bietet die neue BIS-SACD zwei Pavanen, die eine (selbstverständlich!) von Ravel, die andere (wer hätte es gedacht…) von Gabriel Fauré – zwei andächtige, gleichsam schwebend-getragene Miniaturen von melodischem Liebreiz und zugleich einer Träne zwischen den Notenzeilen. Verstärkt indes wird das CD-Argument „Pavane", indem diese beiden gebremsten Tanzmuster wie eine Klammer um ein Recital-Repertoire gesetzt sind, das sich in jedem Punkt aus arrangierten Werken zusammensetzt, also – um es noch einmal zu betonen – kein einziges Originalstück für Viola und Klavier enthält. Dies lässt nicht nur nebenbei erahnen, unter welchem Defizit die betreffenden Musiker leiden, wenn sie es wagen, aus der sicheren Violatruppe heraus solistisch in Erscheinung zu treten.
In der Vortragsfolge fallen zunächst zwei Nummern ins Auge: Eigens für Viola und Klavier adaptierte Arbeiten des Schweizers Richard Dubugnon (Jg. 1968), dessen ästhetische Ideale im Französischen wurzeln – die päädagogische „Abstammung" seine Lehrers Alain Margoni unterstreicht dies. Er studierte bei Florent Schmitt, der wie Ravel ein Schüler von Gabriel Fauré war. Dubugnon – so ist es im Begleitheft formuliert – folgt „dem Ideal einer zugänglichen, dabei kunstvollen Musik, transparent, mit klaren musikalischen Intentionen, aber ohne Demagogie".
In einem ursprünglich für Kontrabass und Klavier konzipierten „Lied" lassen sich diese stilistischen Leitlinien auf kleinem „Adagio molto"-Territorium verfolgen, im dritten, im Original für Cello gesetzten Satz von Dubugnons Incantatio, werden die ästhetischen Vorgaben in erregter Ausprägung bestätigt. Es handelt sich hier, nämlich „Prestissimo volando", um das einzige rasche Stück dieser Einspielung (und Klaviermusikkenner werden bei dieser ungewöhnlichen Tempoangabe an den zweiten Satz aus Skrjabins Vierter Sonate op. 30 denken!).
Wenn man es genau und dabei etwas unfreundlich ausdrücken möchte, dann kann ein gelernter, bestens ausgebildeter Violaspieler im Bereich dieser Pavanen-, Elegien- und Träumerei-Aufgaben nicht viel falsch machen. Und genau dazu scheinen diese beiden Instrumentalisten auch berufen zu sein. Sie gehen umsichtig, ohne jede geschmackliche Unvorsichtigkeit, das heißt: mit ziviler Phrasierung zwischen Sachlichkeit und Sentiment durch das gewählte und in der Platzierung der Autoren fein ausbalancierte Programm. Zu verschmerzen ist für mein Empfinden, wenn Maxim Rysanov espressivo-Angebote etwa in den Fauré-Kostbarkeiten extrem auf Dehnung hin phrasiert, aber insgesamt bieten er und sein britischer Partner ein fehlerfreies Zusammenspiel mit solistischen und begleitenden Akzenten. Dem Klischee des verlangsamten Bratschentempos entspricht das Cover-Foto: Maxim Rysanov sitzt in einem Sessel, nachdenklich, womöglich schlummernd mit seitlich gesenktem Kopf… Auf der Rückseite sieht man einen deutlich lebendigeren Ashley Wass – und beide haben ihre CD der vor nicht langer Zeit so plötzlich verstorbenen rumänischen Pianistin Mihaela Ursuleasa gewidmet, „a wonderful musician and a very special person".
Peter Cossé † [27.12.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Maurice Ravel | ||
1 | Pavane pour une infante défunte | 00:05:15 |
Gabriel Fauré | ||
2 | Après un rêve op. 7 No. 1 for Violin and Harp | 00:03:08 |
3 | Elégie c minor op. 24 for Violoncello and Piano | 00:06:55 |
Richard Dubugnon | ||
4 | Incantatio op. 12b | 00:14:56 |
Gabriel Fauré | ||
7 | Romance op. 69 | 00:03:32 |
Claude Debussy | ||
8 | Clair de lune | 00:03:58 |
Richard Dubugnon | ||
9 | Lied op. 44b – Adagio molto | 00:05:42 |
Claude Debussy | ||
10 | La fille aux chevaux de lin | 00:02:28 |
Gabriel Fauré | ||
11 | Pavane f sharp minor op. 50 for Viola and Harp | 00:05:14 |
Interpreten der Einspielung
- Maxim Rysanov (Viola)
- Ashley Wass (Klavier)