Ars Produktion 38 119
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2012
09.10.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Im Fall von Édouard Lalo zeigt sich der Musikbetrieb – wie so oft – frappierend ungerecht. Selbst das berühmteste Stück des Franzosen, sein zweites Violinkonzert op. 21, die sogenannte Symphonie espagnole, wird hierzulande im Konzertleben weitestgehend ignoriert. Und wer kennt schon sein Violoncellokonzert d-Moll von 1877? Die Vernachlässigung ist ungerecht, wie das Werk selbst beweist, zumal ein vergleichsweise problematisches Stück wie das Violoncellokonzert von Dvorák landauf, landab gespielt wird.
Lalos Werk zeichnet sich – gerade im Gegensatz zu Dvorák! - durch große formale Strenge aus und durch eine ebenbürtige Dramatik, die durch die selten scharfe Gegenüberstellung von Solist und Orchester erreicht wird: Im Kopfsatz wird das Violoncello etwa immer wieder durch harte Tuttischläge unterbrochen. Zudem wiedersteht Lalo der Versuchung, das Violoncello permanent in den hohen Lagen zu führen, was zwar Sanglichkeit und Brillanz garantiert, aber die Herkunft des Instrumentes als Baßfundament rigoros ausklammert. Die junge Genfer Violoncellistin Nadège Rochat, kaum einmal zwanzig Jahre alt, Schülerin unter anderem von Maria Kliegel, tut gut daran, genau diese Konfliktträchtigkeit des Soloinstrumentes voll auszuspielen: Sie stemmt sogar die tiefliegenden, brummenden Ausrufe des Soloparts mit einer geradezu physisch spürbaren Intensität empor; dennoch bleibt der Ton in der Tiefe stets ebenso elegant und gelassen, wie er in die Höhe intensiv wirkt. Der Gesang im langsamen Satz „Intermezzo“ wirkt belcantistisch wie sprechend zugleich, im Finale überzeugt Rochat mit schlafwandlerischem Timing.
Viel wäre auch über das knappe und geistreiche erste Cellokonzert Darius Milhauds zu sagen; nur soviel: Rochat integriert sich hier mit einer genau bemessenen Mischung aus Charisma und Kommunikationsfähigkeit in den begleitenden Apparat. Die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter Ola Rudner können bei Lalo zu einem satten Tutti auffahren, so, wie sie bei Milhaud feinste Kammermusik machen können. Von besonderem Interesse ist Lalos „Divertissement“, eine Suite aus seiner Oper Fiesque, in denen die Reutlinger viele orchestrale Köstlichkeiten präsentieren. So ist dieses Album nicht zuletzt auch eine gelungene Visitenkarte für das Württembergische Orchester, das übrigens sowohl präzise als auch sinnlich klang-photographiert wurde.
Es bleiben nur kleine stilistische Fragezeichen: Muß die zweifellos hübsche Solistin gleich mit vier Fotos abgebildet werden, von denen eines gleich über zwei Booklet-Seiten geht? Und was passierte mit der Schreibweise des Vornamens des Komponisten, der in den zeitgenössischen Drucken immer „Édouard“, nie aber „Éduard“ heißt? Vielleicht sollten die Designer auch ab und zu an die Musik denken …
Prof. Michael B. Weiß [09.10.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Edouard Lalò | ||
1 | Konzert d-Moll für Violoncello und Orchester | 00:28:48 |
4 | Divertissement pour orchestre (Ballettmusik aus der Oper Fiesque) | 00:16:59 |
8 | Scherzo, Presto | 00:04:40 |
Darius Milhaud | ||
9 | Konzert Nr. 1 op. 136 für Violoncello und Orchester | 00:16:19 |
Interpreten der Einspielung
- Württembergische Philharmonie Reutlingen (Orchester)
- Nadège Rochat (Violoncello)
- Ola Rudner (Dirigent)