Zauberdunkel und Lichtazur Unerhörtes der Zeitgenossen
Thorofon CTH 2585
1 CD • 74min • 2011
14.03.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sie waren Zeitgenossen von Gustav Mahler, Richard Strauss, Hugo Wolf und Hans Pfitzner und teilen das Schicksal, im Bewusstsein der Nachwelt von diesen vollständig verdrängt worden zu sein: Anton Urspruch (1850-1907), Ludwig Thuille (1861-1907) und Erich J. Wolff (1874-1913) versuchten, jeder auf seine Art, das romantische Erbe ins 20. Jahrhundert weiter zu tragen und sich zugleich in behutsamen Schritten der Moderne zu öffnen. Wie weit diese Entwicklung noch hätte gehen können, ist schwer zu sagen, da alle drei in relativ jungen Jahren verstorben sind.
Thuille und Wolff wurden bei Thorofon schon mit exklusiven Recitals in Erinnerung gebracht, in dieser Dreier-Kollektion tritt nun Anton Urspruch hinzu, auch er ein zu seiner Zeit hoch angesehener Komponist, der nach seinem Tod aber relativ rasch in Vergessenheit geriet und nach 1933 als Sohn einer jüdischen, christlich getauften Mutter gänzlich zum Verschwinden gebracht wurde. Der gebürtige Frankfurter war ein Lieblingsschüler von Franz Liszt, der ihn gleichermaßen als Pianist und Komponist hoch schätzte und ihn „Antonio“ nannte.
Seine Oper Das Unmöglichste von Allem, 1897 in Karlsruhe unter Felix Mottls Leitung uraufgeführt, wurde im vergangenen Herbst in Leverkusen vom pianopianissimo-musiktheater unter Leitung von Peter P. Pachl wieder ausgegraben und zeigte bei dieser Gelegenheit in den Sologesängen wie in den zahlreichen Ensembles, die Einflüsse von Verdis Falstaff erkennen lassen, einen leichtfüßigen, südländischen Witz, mit dem sich heute berühmtere Zeitgenossen wie Peter Cornelius und Hugo Wolf in ihren Opern deutlich schwerer taten.
Die hier zusammengestellten Lieder freilich stehen erkennbar in der deutschen romantischen Tradition. Das zeigt schon die Auswahl der Texte, bei denen Heinrich Heine favorisiert wird. Die Rose, die Lilie oder Wenn ich in deine Augen seh hat jeder Musikfreund in den Vertonungen Schumanns im Ohr. In diesen frühen Kompositionen lässt Urspruch die Oberstimme der Begleitung mit der Melodie der Singstimme parallel laufen. Die vier Gesänge aus den Liedern des aserbaidschanischen Dichters Mirza-Schaffy sind ein Pendant zu Erich J. Wolffs Hafis-Zyklus, doch findet die couleur locale der Dichtungen keinen musikalischen Niederschlag.
In seiner dritten Oper Die heilige Cäcilie, für die er das Libretto selbst schrieb, sind die Einflüsse Richard Wagners unverkennbar, zu dem er ansonsten ein sehr ambivalentes Verhältnis hatte. Urspruch konnte nur den 1. Akt und den Beginn des 2. Aktes als Orchesterpartitur vollenden, der Rest des fünfaktigen Werkes liegt nur als Particell und Klavierauszug vor. Zwei Szenen der Protagonistin aus dem 4. und 5. Akt erleben auf dieser CD ihre Uraufführung. Auch im Klavierpart hört man das spätromantische Symphonie-Orchester aufrauschen, Cäcilie verlangt nach einem hochdramatischen Sopran, der Rebecca Broberg nicht ist. Auch in einigen der Lieder geht ihr warmes Timbre verloren, sobald sie sich in höhere Sopranlagen aufschwingt.
Wesentlich komfortabler fühlt sich die Sängerin in den Drei Gesängen für eine mittlere Singstimme op. 12 (1892) von Ludwig Thuille, wo auch ihre bewusste Textgestaltung wieder positiv auffällt, was ganz im Sinne des Komponisten ist, der hier die Musik als Dienerin der Worte versteht. Einen starken Eindruck in kompositorischer wie interpretatorischer Hinsicht hinterlassen 9 ausgewählte Lieder von Erich J. Wolff, die auch an den Pianisten hohe Anforderungen stellen und in denen der flexible, einfühlsame Klavierbegleiter Ulrich Urban alle Register seiner Spieltechnik ziehen kann. Das Bienenlied vor allem ist ein Kabinettstück pianistischer Lautmalerei. Man würde ihm, neben einigen anderen Titeln der drei hier versammelten Komponisten, gerne wieder häufiger im Konzertsaal begegnen.
Wie in den vorangegangenen Veröffentlichungen erhöht das sorgfältig edierte und informative Booklet den Wert der Kollektion zusätzlich.
Ekkehard Pluta [14.03.2012]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Anton Urspruch | ||
1 | Gegrüßet, Heldenpaar (4. Akt, Arie der Cäcilia - aus: Die heilige Cäcilia) | 00:03:57 |
2 | Ich fühle deinen Odem op. 4 Nr. 1 (aus: Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza-Schaffy op. 4) | 00:01:32 |
3 | Seh' ich deine zarten kleinen Füßchen op. 4 Nr. 2 (aus: Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza-Schaffy op. 4) | 00:02:44 |
4 | Gott hieß die Sonne scheinen op. 4 Nr. 3 (aus: Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza-Schaffy op. 4) | 00:01:56 |
5 | Neig', schöne Knospe, dich zu mir op. 4 Nr. 4 (aus: Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza-Schaffy op. 4) | 00:01:37 |
6 | Das Meer hat seine Perlen op. 3 Nr. 1 | 00:01:48 |
7 | Deine weißen Lilienfinger op. 3 Nr. 2 | 00:01:35 |
8 | Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne op. 3 Nr. 3 | 00:00:58 |
9 | Im tiefsten Innern op. 3 Nr. 4 | 00:01:32 |
10 | Es streckt der Wald die Zweige op. 3 Nr. 5 | 00:01:44 |
11 | Weil' auf mir, du dunkles Auge op. 3 Nr. 6 | 00:01:36 |
12 | Wenn ich in deine Augen seh' op. 6 II, 2 | 00:01:36 |
13 | Hör' ich das Liedchen klingen op. 6 II, 3 | 00:01:55 |
14 | Ja, du bist elend op. 6 IV, 3 | 00:02:52 |
15 | Nehmt Leib und Leben mir! (5. Akt: Schlussgesang der Cäcilia - aus: Die heilige Cäcilia) | 00:08:37 |
Ludwig Thuille | ||
16 | Waldeinsamkeit op. 12 Nr. 1 | 00:05:48 |
17 | Die Nacht op. 12 Nr. 2 | 00:03:19 |
18 | Die stille Stadt op. 12 Nr. 3 | 00:03:23 |
19 | Devotionale op. 27 Nr. 1 | 00:03:06 |
Erich J. Wolff | ||
20 | Erhebung op. 8 Nr. 2 | 00:02:01 |
21 | Bienenlied op. 12 Nr. 6 | 00:02:32 |
22 | Mignon op. 15 Nr. 1 | 00:03:59 |
23 | Tag meines Lebens op. 13 Nr. 2 | 00:03:07 |
24 | Andacht op. 11 Nr. 1 | 00:03:29 |
25 | Mandolinen op. 22 Nr. 5 | 00:01:42 |
26 | Gebet op. 14 Nr. 1 | 00:02:26 |
27 | Die Horen op. 12 Nr. 2 | 00:01:22 |
28 | Gottes Segen op. 14 Nr. 4 | 00:01:56 |
Interpreten der Einspielung
- Rebecca Broberg (Sopran)
- Ulrich Urban (Klavier)