
BIS 1386
1 CD • 63min • 2005, 2006
24.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Christopher Rouse (Jg. 1949) ist ausgesprochen erfolgreich in der amerikanischen Komponisten-Szene; viele seiner Werke sind preisgekrönt. Der Ton, in dem sich der Komponist selbst im Booklet über seine Werke äußert, nimmt zwar nicht sonderlich für ihn ein, doch die Musik hält, was Rouse verspricht: Man lese und höre. Die Dramaturgie der CD hält sich an die Konzertfolge romantischer Tradition aus Tondichtung, Solokonzert und Sinfonie – das befremdet, weil Rouse in seiner ersten Sinfonie nach eigenem Bekunden den romantischen Heroismus bekämpfen wollte. Er bezieht sein Werk sogar ausdrücklich auf die Siebente Sinfonie Anton Bruckners, der er Material entnimmt, das er verfremdet “umdenkt”. Letztlich hatte ich aber nach dem Hören den Eindruck, dass Rouse angesichts der Übermacht romantischer Ideologie auch in der heutigen Musik durchaus resigniert (“Die Geister, die ich rief”)… Dazu passend erklingt am Anfang sein viertelstündiges Iscariot, 1989 für das St. Paul’s Chamber Orchestra komponiert, das einem autobiographischen Programm folgt, welches der Komponist aber nicht preiszugeben gedenkt, sich auf seine Privatsphäre berufend: Tschaikowsky läßt grüßen. Derlei Zurückhaltung mag nicht so recht passen zu der Extrovertiertheit, die Rouse sonst an den Tag legt. Welcher andere Komponist würde schon bekennen, Strukturen in seinem Klarinettenkonzert ausgewürfelt zu haben, indem er alle zwölf Takte lang zwei Würfel rollen ließ und immer dann, wenn die Summe eine Zwölf ergab, einen “plötzlichen Slapstick-Einwurf” einbaute, “der ein kleines dreisätziges Mikroconcerto ankündigen sollte”. Ist das nun Humor im Sinne der Marx Brothers oder doch nur eine Art musikalischer Slot-Maschine aus Las Vegas? Die Musik wirkt ausgesprochen polarisierend, stets hin und her geworfen zwischen Herz und Hirn, Dunkelheit und Licht, Romantik und Moderne – eigentlich ein gutes Zeichen, denn große Kunst muß polarisieren. Allerdings verstört sie eher, als vom Herzen Besitz zu ergreifen. Und das liegt, wie ich glaube, nicht am vorzüglichen Spiel des Klarinettisten Martin Fröst oder dem tadellosen Musizieren des Royal Stockholm Philharmonic unter Alan Gilbert, dem neuen Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker. Oder vielleicht doch ein klassischer Fall von “Nomen est omen”? Schlagen Sie doch mal das Verb “to rouse” im Wörterbuch nach…
Dr. Benjamin G. Cohrs [24.11.2008]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Christopher Rouse | ||
1 | Iscariot (1989) – Largo - con passione | 00:15:20 |
2 | Clarinet Concerto | 00:19:14 |
3 | Symphony No. 1 | 00:26:44 |
Interpreten der Einspielung
- Martin Fröst (Klarinette)
- Royal Stockholm Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Alan Gilbert (Dirigent)