Heinrich Ignaz Franz Biber Mysteriensonaten
OehmsClassics OC 514
2 CD • 1h 50min • 2004
17.10.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Biber-Gedenkjahr 2004 (300. Todestag) wurden fünf Aufnahmen der Rosenkranz- bzw. Mysteriensonaten vorgelegt, die das ganze Spektrum der Interpretationsansätze abdeckten: Andrew Manze (harmonia mundi France) spielte die Stücke nur von Orgel bzw. Cembalo begleitet, was Bibers Intention am besten entspricht und zu einem wunderbaren Ergebnis voller Intimität und Raffinement führen. Pavlo Beznosiuk (Avie) bestach durch technische Eleganz und bildete damit das positive Gegenbeispiel zu Patrick Bismuth (ZigZig Territoires), der die Stücke mit einer modernen Bogentechnik recht burschikos behandelte. Dazwischen bewegten sich Alice Pierot (Alpha) und Monica Huggett (ASV) mit spielerischer Lebendigkeit und sinnlichem, aber nicht zu fettem Klang.
Nun tritt Rüdiger Lotter als sechster in den Ring. Als „First Live Recording“ wird seine Aufnahme auf dem Cover tituliert, doch was soll das bedeuten? Publikumsgeräusche hört man keine, also stellt sich kein „Live-Effekt“ ein. Ebenso kann keine Rede davon sein, daß hier durch das ununterbrochene Spiel – wenn es sich denn wirklich um einen nicht durch Probenaufnahmen verbesserten Konzertmitschnitt handelt – ein besonderer Spannungsbogen, eine besondere künstlerische Aura entstünde, wie man sie von einigen besonderen Aufnahmen großer Pianisten kennt, im Gegenteil: Lotter spielt auf technische Sicherheit bedacht, wodurch ihm zahlreiche Klangschattierungen unter den Tisch fallen. Sowohl im Studio als auch in einem Konzert, das nicht für die Ewigkeit festgehalten wird, hätte er mehr Risiko eingehen und damit den musikalischen Ertrag steigern können.
Doch selbst wenn man von dieser fragwürdigen Etikettierung absieht, bleibt der akustische Eindruck im Soliden. Daß Lotter über eine zuverlässige – moderne! – Geigentechnik verfügt, wird ihm niemand abstreiten, doch zu so subtilen Nuancen, wie sie Manze und Beznosiuk jeweils auf ihre eigene Weise bieten, läßt er sich nicht inspirieren; eher scheint ihn das bodenständige Virtuosentum zu liegen, die in der großen Schlußpassacaglia oder in einige Variationssätzen dominiert. Ähnlich grundsolide ist der Eindruck, den Olga Watts am Cembalo bzw. an der Orgel hinterläßt: Von der Kunst eines Richard Egarr, der Manze kongenialen den Rücken stärkt, ist sie weit entfernt.
Gehoben wird der Gesamteindruck dieser Produktion durch Lotters Einführungstext, in dem er den Ansatz von Dieter Haberls Disertation Ordo arithmeticus: Barocker Zahlbezug und seine Wurzeln, dargestellt am Beispiel der Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber aufgreift und alle möglichen Zahlenspielereien in den Noten nachweist. Damit wird deutlich, daß in Barockmusik mehr steckt, als man hören kann.
Dr. Matthias Hengelbrock [17.10.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
1 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf freudenhaften Mysterien | |
2 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf glorreichen Mysterien | |
3 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf schmerzenreichen Mysterien |
Interpreten der Einspielung
- Lyriarte (Ensemble)