Heinrich Ignaz Franz Biber
Die Rosenkranzsonaten
Zig Zag Territoires ZZT040801-2
2 CD • 1h 53min • 2003
23.11.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nicht weniger als fünf Neueinspielungen der Rosenkranzsonaten sind im Biber-Gedenkjahr 2004 (300. Todestag) veröffentlicht worden: In die Arena traten Alice Piérot (Alpha 038), Pavlo Beznosiuk (Avie 0038), Monica Huggett (ASV GAU 350 und 351), Andrew Manze (Harmonia mundi 907321.22) und jetzt Patrick Bismuth, der, um es gleich vorweg zu sagen, keine Spitzenposition einnimmt. Zu vordergründig setzt er seine durch und durch moderne Geigentechnik auf einem alten Instrument ein, so daß zwar alles wie am Schnürchen läuft, in der kernigen Brillanz aber doch ständig eher an Paganini als an Biber erinnert. Die Bewältigung des technisch immens anspruchsvollen Notentextes steht hörbar im Vordergrund, und mit seinem engen Vibrato verleiht Bismuth auch solchen Noten unverhältnismäßig hohes Gewicht, die eigentlich als leichte Auftakte oder unbetonte Verbindungsnoten zu verstehen sind. Daß die Geläufigkeit und die Intonation in der Tat tadellos sind, ist bei einem derart gewichteten Interpretationsansatz zwar zu erwarten, sei aber der Gerechtigkeit halber ausdrücklich festgehalten. Auf der Strecke bleiben allerdings die Zwischentöne, die Verinnerlichung dieser Meditationsmusik, das Spiel mit dem nicht konkret Greifbaren.
Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die Continuogruppe. Seit Eduard Melkus’ bahnbrechender Aufnahme aus dem Jahre 1967 ist es Mode geworden, Bibers Rosenkranzsonaten mit einem gewaltigen und extrem farbigen Apparat von Begleitinstrumenten aufzuführen, und auch in Bismuths Interpretation kommen Orgel, Cembalo, Violoncello, Viola da gamba, Kontrabaß, Lirone, Theorbe und Harfe in allerlei Kombinationen zum Einsatz. Dies widerspricht aber völlig dem Wesen dieser Stücke, die einerseits zur stillen Meditation anleiten, andererseits den Solisten in den Vordergrund rücken. Ernst Kubitschek hat zu Recht darauf hingewiesen, und Andrew Manze hat es jüngst mit Richard Egarr in konsequentester Weise umgesetzt. Eine Orgel bzw. ein Cembalo reicht völlig aus, während Bismuth beispielsweise in der vierten Sonate, in der der Basso continuo eigentlich nichts zu tun hat, von seinen Begleitern regelrecht erdrückt wird.
Der Vorzug der vorliegenden Produktion ist im Beiheft zu finden: Marinette Extermann stützt sich auf die Dissertation von Dieter Haberl über den „ordo arithmeticus“ und führt an ausgewählten Beispielen vor, welche Rolle die Zahlensymbolik (auf die Biber in seinem Vorwort explizit eingeht) in den Rosenkranzsonaten spielt. Dies sind gewiß Erkenntnisse, die man nicht hörend, sondern nur lesend gewinnen kann. Indes stützen sie die oben angebrachte Kritik: Wenn Bismuth in der Aria der ersten Sonate den Basso ostinato erst fast zwei Minuten lang von seiner Continuogruppe als Improvisations-Session vorführen läßt, verschiebt er nicht nur die Gewichte vom Solisten zur Begleitung, sondern bringt damit auch die Gesamtproportionen des Satzes aus dem Gleichgewicht. Fazit: Der Hang zur Selbstdarstellung wird dieser Interpretation zum Verhängnis.
Dr. Matthias Hengelbrock [23.11.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
1 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf freudenhaften Mysterien | |
2 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf schmerzenreichen Mysterien | |
3 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf glorreichen Mysterien |
Interpreten der Einspielung
- Patrick Bismuth (Violine)
- La Tempesta Basel (Ensemble)