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Besprechung CD

Grosz

Piano Music • 1
Gottlieb Wallisch

Grand Piano GP927

1 CD • 73min • 2023

15.01.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Nach Archilochos und Isaiah Berlin kennt der Fuchs viele verschiedene Sachen, der Igel nur eine große. Dieser Einteilung der Künstler und Denker folgend, erscheint der Wiener Komponist Wilhelm Grosz, der, nachdem er vor den Nationalsozialisten hatte fliehen müssen, 1939 viel zu früh im amerikanischen Exil starb, als archetypischer „Fuchs“. Sein Schaffen erstreckt sich auf eine Vielzahl unterschiedlichster Gebiete und spiegelt die Vielseitigkeit seines Autors wieder, der mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit über Mozarts Fugen promoviert wurde, als Pianist wie als Dirigent gleichermaßen erfolgreich war, und schließlich zur Ultraphon-Schallplattengesellschaft fand, für die er bis 1933 als Aufnahmeleiter arbeitete.

Gleichermaßen traditionsbewusst wie aufgeschlossen für neue Möglichkeiten künstlerischer Aussage, war Grosz das Gegenteil eines weltabgewandten Künstlers, der im stillen Kämmerlein für sich allein und vielleicht noch einen Zirkel Eingeweihter schreibt. Er suchte stets den Kontakt zur Welt und war sich nicht zu schade, Musik für bestimmte Zwecke zu komponieren, wie seine Theater- und Filmmusiken zeigen. Die neuartige Unterhaltungsmusik der Zwischenkriegszeit pflegte er als ausführender Musiker wie als Komponist. Einige seiner Schlager wurden weltberühmt. Auch schrieb er Werke speziell für den gerade im Entstehen begriffenen Rundfunk.

Grosz als Klavierkomponist

Mittels der bei Grand Piano erschienenen CD des Pianisten Gottlieb Wallisch kann man sich nun einen umfassenden Eindruck von Wilhelm Grosz als Klavierkomponisten verschaffen. Die sechs hier vorgestellten Werke bzw. Sammlungen entstanden zwischen 1913 und 1939, verteilen sich also über Grosz' gesamte Schaffenszeit, wobei der Schwerpunkt in den 1920er Jahren liegt. Von Anfang an zeigt sich Grosz als phantasievoller Harmoniker, der mit den klanglichen Möglichkeiten des Klaviers innig vertraut ist und sie poetisch nutzt. Bereits die mit 19 Jahren komponierte Tanzsuite Nr. 1 ist ein Meisterwerk. Greift Grosz hier noch auf traditionelle Tanztypen zurück, die er in eine Fin-du-Siècle-Atmosphäre überführt, stürzt er sich in der zwölf Jahre jüngeren Suite Nr. 2 auf die neuen Tänze der 20er Jahre, aus deren rhythmischem und harmonischem Repertoire er springlebendige Charakterstücke formt. Ein Stilbruch zwischen dem früheren und dem späteren Werk ist nicht auszumachen. Es ist die gleiche starke Persönlichkeit, die unterschiedlichen Anregungen nachgeht. Grosz hat das Alte und das Neue offenbar nicht in Konflikt gesehen. Stattdessen strebte er danach, aus allen musikalischen Phänomenen, die er kennenlernte, künstlerischen Gewinn zu ziehen und betonte das Gemeinsame zwischen ihnen. Dissonante Reizklänge, Blues-Harmonien und traditionelle Tonalität erscheinen bei ihm in wohlgeordnete organische Verbindung gebracht. Es ist kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander in heiterer Klassizität. (Eine Generation nach Grosz ist der Amerikaner Gordon Sherwood einen ganz ähnlichen Weg gegangen.)

Großmeister der knappen Form

Grosz neigt zur Kürze und zu gedrängter Darstellung. Die Ecksätze der Sonate op. 21 sind mit knapp acht bzw. gut sechs Minuten Spieldauer die mit Abstand längsten unter den hier vorgestellten Stücken. In den kurz vor seinem Tod entstandenen Improvisationen op. 45 zeigt er sich als Großmeister der knappen und knappsten Formen. Einige dieser Miniaturen sind nicht einmal eine Minute lang. Lauter spannende Kurzgeschichten – inhaltsreich, atmosphärisch mit wenigen Worten erzählt.

Pianist mit Sinn für die Musik von Grosz

In Gottlieb Wallisch hat Wilhelm Grosz einen Pianisten gefunden, der sich hingebungsvoll seiner Musik widmet, ihrer Vielschichtigkeit Rechnung trägt und viel Sinn für Grosz' trockenen Humor und seine Neigung zu tänzerischer Rhythmik mitbringt. Ein umfangreicher, sehr informativer Einführungstext rundet diese ausgezeichnete Produktion, die den vielversprechenden Vermerk „Vol. 1“ trägt, ab.

Norbert Florian Schuck [15.01.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wilhelm Grosz
1Zwei Stücke aus der Bühnenmusik zu Franz Werfels Magischer Trilogie Spiegelmensch op. 12 00:04:16
3Tanzsuite 00:10:31
7Sonatina sopra E-H-A-E sul pianoforte op. 2 00:06:56
10Tanzsuite op. 20 00:16:50
15Klaviersonate G-Dur op. 21 00:17:21
1812 Improvisationen op. 45 00:15:29

Interpreten der Einspielung

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