Domenico Cimarosa
Le astuzie femminili
cpo 555 595-2
2 CD • 2h 39min • 2022
06.05.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nach dem sensationellen Erfolg seiner Opera buffa Il matrimonio segreto, die 1792 in Wien ihre Uraufführung erlebte, wählte Domenico Cimarosa, nach Neapel zurückgekehrt, für seinen dortigen Einstand ein Sujet, mit dem er an diesen Erfolg anzuknüpfen hoffte, und griff dabei auf Teile des zuvor geschriebenen Einakters Amor rende sagace zurück: Le astuzie femminili (auf deutschen Bühnen später unter dem Titel Weiberlist gespielt). Das Libretto, das ihm Giuseppe Palomba auf der Basis der älteren Vorlage konstruierte, ist streckenweise etwas abstrus und weitschweifig, spielt aber geschickt mit den bewährten Elementen der neapolitanischen Buffa, zu denen auch der Gebrauch des dortigen Dialekts, komische Duelle sowie der Einsatz von pittoresken Verkleidungen gehörten. Der Ausgangspunkt des Stücks ist das Testament von Bellinas Vater, der sie zu seiner Universalerbin macht unter der Bedingung, dass sie seinen Freund Giampaolo Lasagna heiratet. Sie aber liebt den mittellosen Filandro und wird ihrerseits von ihrem hochstaplerischen Vormund Don Romualdo begehrt, der sich als Dottore ausgibt. Zwei lange, aber doch abwechslungsreiche Akte handeln davon, wie sie die beiden alten Bewerber austrickst und ihren geliebten Filandro heiraten kann.
Cimarosa at his best
Obwohl Situationen und Figuren im Buch recht klischeehaft behandelt werden, ist Cimarosa – hier auf der Höhe seiner Schaffenskraft – doch eine sehr individuelle musikalische Ausformung gelungen, die immer wieder lyrische Inseln und nachdenkliche Reflexionen inmitten des gelegentlich klamaukigen Possenspiels schafft. Vor allem die Liebesduette zwischen Bellina und Filandro atmen echtes Gefühl und dem großmäuligen Buffo Don Giampaolo, einem Nachfahren des antiken miles gloriosus, wird am Ende der Oper eine stimmungsvoll mit Cello eingeleitete resignierende Arie („Le figliole che so de vent’anni“) in den Mund gelegt, in der er altersweise Einsichten äußern darf. In den Ensembles und in den zwei groß angelegten Finali zeigt Cimarosa brillantes Handwerk und unverbrauchte Frische der Eingebung. Sehr apart ist die Idee, das Stück mit einem russischen Tanz harmonisch enden zu lassen – eine Reminiszenz des Komponisten an seine Zeit in St. Petersburg, wo er 1787-91 am Hofe von Katharina der Großen angestellt war.
Keine Ausgrabung
Als „first performance in modern times“ ist dieser Mitschnitt vom Reate Festival in Rieti (liegt etwa 80 km nordöstlich von Rom) angekündigt, was nur bedingt richtig ist. Es sei denn, man setzt die „modern times“ erst in unserem Jahrhundert an. Die RAI hat schon 1959 eine Produktion aus Neapel unter Mario Rossis Leitung gesendet, die später auch auf Schallplatten veröffentlicht wurde und mit den Koryphäen Graziella Sciutti, Luigi Alva und Sesto Bruscantini hochkarätig besetzt war. Ein Jahr später brachte die Mailänder Piccola Scala das Werk in Franco Zeffirellis Inszenierung heraus. Ein anderer Star-Regisseur, Luca Ronconi, zeichnete 1974 für eine Produktion verantwortlich, die noch heute als Video bei youtube zu besichtigen ist. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Allerdings handelt es sich bei diesen Aufführungen überwiegend um Bearbeitungen aus neuerer Zeit, während man in Rieti auf die Original-Partitur zurückgriff und auf historischen Instrumenten musizierte. Die Oper ist nun eine dreiviertel Stunde länger als in den mir bekannten früheren Aufzeichnungen.
Erstklassige Wiedergabe
Die Wiedergabe ist allerdings erstklassig. Vor allem, was die Leistung der Musiker des Theresia-Ensembles angeht, die unter Alessandro de Marchis dynamischer, vorwärtsdrängender, alle Längen und Redundanzen vergessen machenden Leitung fulminant, ja gelegentlich elektrisierend aufspielen. Die Sänger können da aber gut mithalten. Eleonora Bellocci (Bellina) erweist sich als würdige Nachfolgerin der unvergleichlichen Graziella Sciutti – mit einer Ausdruckspalette von Zärtlichkeit über Keckheit bis zur Biestigkeit, und sie ist, wo immer sie auftritt, Herrin der Situation. Valentino Buzza (Filandro) ist eine Tenor-Entdeckung: eine reich strömende lyrische Stimme mit glänzenden Höhen und einer echten Emphase im Vortrag. Er müsste ein idealer Tamino sein. Die übrigen Sänger leisten guten Support. Vor allem von der Mezzosopranistin Angela Schisano (Leonora) dürfte noch einiges zu erwarten sein. Die beiden Buffonisten Rocco Cavalluzzi (Don Giampaolo) und Matteo Loi (Don Romualdo) klingen noch relativ jung in ihren Partien, machen aber einen guten Job. Mit leichtem, kindlich klingendem Sopran wirkt Martina Licori (Ersilia) wie die kleine Schwester der Bellocci. Die Firma Dynamic hat auch eine DVD von dieser Aufführung veröffentlicht (Regie: Cesare Scarton), von der ich nur ein paar Ausschnitte kenne, die mich aber neugierig auf das Ganze gemacht haben.
Ekkehard Pluta [06.05.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Domenico Cimarosa | ||
1 | Le astuzie femminili (Oper in zwei Akten) | 02:38:43 |
Interpreten der Einspielung
- Rocco Cavaluzzi (Don Giampaolo, neapolitanischer Landbesitzer - Baß)
- Eleonora Bellocci (Bellina, Schülerin des Dottor Romualdo - Sopran)
- Matteo Loi (Don Romualdo, Notar - Bariton)
- Valentino Buzza (Filandro, junger Mann, in Bellina verliebt - Tenor)
- Martina Licari (Ersilia, Bellina Vertraute - Sopran)
- Angela Schisano (Leonora, Romualdos Haushälterin - Alt)
- Theresia (Orchester)
- Alessandro Marchi (Dirigent)