:INNEN

PASCHENrecords PR 240086
1 CD • 50min • 2023
26.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die CD der Cellistin Sophie-Justine Herr sagt im Titel schon fast alles „:innen“ lautet dieser und ja, die Musik der Aufnahme stammt ausnahmslos aus der Feder von Komponistinnen. Natürlich hat die junge Cellistin recht, wenn sie anprangert, was schon lange ein Manko in der Musikszene, aber auch sonst in der Kulturszene ist, nämlich dass Frauen immer noch eher als Interpretinnen gesehen werden und weniger als Schöpferinnen. Und durch die Jahrhunderte hinweg wurden ihre Werke – unabhängig von der Qualität – nicht gleich bewertet und behandelt wie die Musik der Männer. Daher bringt die Cellistin auf dieser Aufnahme nun zwei ‚Minderheiten‘ zusammen, nämlich die zeitgenössische Musik und die Musik von Frauen. Auf „:innen“ erklingen Werke für Violoncello solo von Younghi Pagh-Paan (Jg.1945), Kaija Saariaho (1952-2023), Judith Shatin (Jg.1949), Elisenda Fábregas (Jg.1955) und Teresa Grebchenko (Jg. 1984). Diese sind auch in ihren Stilistiken so vielseitig, wie die zeitgenössische Musik nur sein kann. Von atonalen bis hin zu recht harmonischen Klängen ist alles dabei.
Eine Lanze für zeitgenössische Komponistinnen
Younghi Pagh-Paans Stück AA-GA I beruht auf einem chinesischen Gedicht und ist das erste einer Serie, die sie für Soloinstrumente komponiert hat. Es ist ein sehr forderndes Stück für Interpretin, aber auch für die Hörenden. Etwas zugänglicher gestalten sich da schon die Sept Papillons von Kaija Saariaho, sieben kurze Miniaturen, die in ihrer Klangsprache Parallelen zu Casals, aber auch Vasks aufweisen. Damit entsprechen Saariahos kurze Stücke einer weit tonaleren Klangsprache als das Eröffnungsstück. Es halten jedoch verschiedenste Spieltechniken Einzug in ihre Musik wie beispielsweise fast durchgehendes Flageolett-Spiel oder auch die Verwendung des Cellos fast schon mehr als Rhythmusinstrument, die Herr mühelos meistert. Zu Beginn von Papillon VI glaubt man sogar fast, ein Didgeridoo zu hören! Der Elektronik bedient sich die Cellistin in Judith Shantins For The Birds, in dem nicht nur im übertragenen Sinne, sondern tatsächlich Vogelstimmen erklingen. Besonders witzig ist dabei der Dialog mit gleich mehreren Spechten in Sapsuckers. Shantin hat dieses Werk ursprünglich für die Cellistin Madeleine Shapiro komponiert und hat dafür Vogelarten aus dem Yellowstone Nationalpark in den Vordergrund gestellt, die aufgrund schrumpfender Lebensräume dort noch zu finden sind, aber ansonsten um ihr Überleben kämpfen. Ein ganz anderes Thema greift Herr dann in den Danses de la Terra auf: Die Tänze über katalanische Themen hat Elisenda Fábregas für den katalanischen Komponisten Roger Morelló Ros komponiert. Die durchweg harmonischen Tänze greifen musikalische Elemente aus seiner Heimat auf – auch hier finden sich Parallelen zu Ros‘ Landsmann Pablo Casals. Die CD endet mit Teresa Grebchenkos I am, bei dem Herr sogar parallel zum Cellospiel singen muss. Der Text ist dabei von Emily Dickinson „That Love is all there is“ and Sylvia Plaths „I am Vertical“ sowie die umformulierte Definition eines Photons. Auch hier überzeugt Herr als Interpretin. Mit ihrer neuen Aufnahme „:innen“ bricht Sophie-Justine Herr eine Lanze für die zeitgenössische Musik und die Musik von Komponistinnen. Ein an sich lobenswertes Konzept und doch stellt sich die Frage, ob die teils auch eher anspruchsvoll zu hörende Musik nicht vielleicht doch auch ein wenig zu sehr abschreckt.
Verena Düren [26.06.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Youngi Pagh-Paan | ||
1 | AA-GA I | 00:10:46 |
Kaija Saariaho | ||
2 | Sept papillons für Violoncello solo | 00:11:04 |
Judith Shatin | ||
9 | For the Birds | 00:13:04 |
Elisenda Fabregas | ||
13 | Danses de la terra | 00:08:03 |
Teresa Grebchenko | ||
17 | i am | 00:07:00 |
Interpreten der Einspielung
- Sophie-Justine Herr (Violoncello)