Le Piano du Groupe des Six
Steffen Schleiermachen
MDG 613 2300-2
1 CD • 67min • 2022
12.03.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Steffen Schleiermacher beschäftigt sich seit gut 40 Jahren mit Klaviermusik diverser „Avantgarden“ – bzw. solcher Strömungen, die sich in ihrer Zeit jeweils dafür hielten – rund um den Globus. Besondere Verdienste erwarb er sich mit Musik der New York School, vor allem einer Gesamtaufnahme des Klavierwerks von John Cage. Nun präsentiert er eine äußerst kluge Auswahl an 28 kurzen Klavierstücken der französischen Groupe des Six, alle zwischen 1914 und 1926 entstanden, umrahmt von zwei Werken Erik Saties, der anfänglich als Mentor der sechs Komponisten galt.
Hörenswerte Miniaturen sehr unterschiedlichen Charakters
Drei Komponisten der Groupe des Six hat man schnell beisammen, da sie nach wie vor viel gespielt werden: Arthur Honegger, Francis Poulenc und Darius Milhaud. Und die einzige Frau darunter, Germaine Tailleferre, ist zumindest dem Namen nach bekannt. Ganz anders sieht es mit den beiden verbliebenen Tonkünstlern aus: Georges Auric (1899‒1983) und Louis Durey (1888‒1979), der Jüngste bzw. Älteste der sechs, gerieten in Vergessenheit – zu Unrecht, wie Schleiermacher hier zeigt. In einigen Projekten haben mehrere der Künstler kollaboriert, jedoch nur am Album des 6 – 1920 bei Eugène Demets (heute M. Eschig) erschienen – mit kurzen und relativ leichten Klavierstücken alle sechs. Die 6 betreffenden Stücke finden sich auf der CD als Tracks [6], [26], [11], [10], [22] und [23]. Schon hier zeigt sich, dass die Musik der Gruppe eigentlich kaum etwas gemeinsam hat, vielmehr höchst individuelle Charakterzüge trägt. Das wird in den vorgestellten Zyklen von drei bzw. sieben Stücken noch viel deutlicher: So arbeitet Schleiermacher die für die einzelnen Autoren dann doch sehr typischen Merkmale gründlichst heraus – man vergleiche etwa die Trois Pastorales von Auric mit denen Poulencs.
Überraschend persönliche Préludes von Louis Durey
Poulenc und Milhaud waren hier die einzigen Komponisten mit einem größeren Klavierschaffen, wobei gerade die Trois Rag-Caprices Milhauds oder Poulencs Valse einen gewissen Bekanntheitsgrad haben dürften. Ebenso hört man Honeggers teils aphoristische Sept Pièces Brèves – das letzte klingt fast wie Villa-Lobos – ab und an als Einführungsliteratur in Sachen „moderner“ Musik für Jungpianisten. Diese spielt Schleiermacher nicht ganz so eindringlich wie etwa Jérémie Conus; bei allen übrigen Stücken trifft er jedoch deren spezifischen Tonfall punktgenau, überzeugt mit schönem, differenziertem Anschlag, französischem Esprit, aber auch Mut zu Außenseitertum (Tailleferre). Die eigentliche Überraschung des Albums sind tatsächlich die Trois Préludes des verschmähten Louis Durey. Ihre kompromisslose Harmonik ist weitgehend atonal, erinnert an den späten Skrjabin oder an Schönberg – dunkle, nachdenkliche und tiefgründige Sonorität. Im dritten Prélude folgt auf anfangs schrägste Intervalle ein fugierter Abschnitt, der an Brahms oder Reger erinnert: großartig! Allein dafür lohnte der Erwerb dieser sehr aufschlussreichen Veröffentlichung mit hohem Repertoirewert, die auch aufnahmetechnisch gefällt und mit gutem Booklet aufwarten kann.
Vergleichsaufnahme: [Honegger: 7 Pièces Brèves] Jérémie Conus (Prospero PROSP0043, 2021).
Martin Blaumeiser [12.03.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Erik Satie | ||
1 | La Belle Excentrique (à Madame Caryathis) | 00:04:50 |
Georges Auric | ||
3 | Pastorale Nr. 1: Vif et rude (à Darius Milhaud) | 00:01:54 |
4 | Pastorale Nr. 2: Modérément animé (à Darius Milhaud) | 00:03:46 |
5 | Pastorale Nr. 3: Très vif et très net (à Darius Milhaud) | 00:01:38 |
6 | Prélude (au General Clapier) | 00:01:43 |
Darius Milhaud | ||
7 | Rag-Caprice Nr. 1: Sec et musclé (à Jean Wiéner) | 00:02:09 |
8 | Rag-Caprice Nr. 2: Romance (à Jean Wiéner) | 00:03:02 |
9 | Rag-Caprice Nr. 3: Précis et nerveux (à Jean Wiéner) | 00:02:42 |
10 | Mazurka | 00:01:35 |
Arthur Honegger | ||
11 | Sarabande | 00:02:07 |
12 | Sept Pièces brèves | 00:07:59 |
Francis Poulenc | ||
19 | Pastorale Nr. 1 (à Ricardo Viñes) | 00:01:04 |
20 | Pastorale Nr. 2 (à Ricardo Viñes) | 00:04:05 |
21 | Pastorale Nr. 3 (à Ricardo Viñes) | 00:02:39 |
22 | Valse (pour Micheline Soulé) | 00:02:04 |
Germaine Tailleferre | ||
23 | Pastorale (pour Darius Milhaud) | 00:01:47 |
24 | Hommage à Debussy | 00:01:36 |
25 | Pas trop vite | 00:01:34 |
Louis Durey | ||
26 | Romance sans Paroles op. 21 (à Ricardo Viñes) | 00:02:27 |
27 | Prélude Nr. 1: sombre (à la memoire de Juliette Méérovitch) | 00:03:18 |
28 | Prélude Nr. 2: Très lent (à la memoire de Juliette Méérovitch) | 00:04:33 |
29 | Prélude Nr. 3: Très animé (à la memoire de Juliette Méérovitch) | 00:02:53 |
30 | À Francis Poulenc | 00:02:53 |
Erik Satie | ||
31 | La Diva de l'Empire (Intermezzo américain d'après la célèbre chanson de Bonnard, Blès et Satie) | 00:02:36 |
Interpreten der Einspielung
- Steffen Schleiermacher (Klavier)