Nico Dostal
Clivia
Operette in drei Akten
cpo 555 535-2
2 CD • 1h 28min • 2022
14.08.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nico Dostal war bereits 40 Jahre alt, als er mit der Ende 1933 am Berliner Theater am Nollendorfplatz uraufgeführten Operette Clivia einen – auch international – durchschlagenden Erfolg hatte. Viele Nummern wie die Arie der Titelheldin „Ich bin verliebt“ wurden regelrechte Schlager. Lillie Claus, die erste Interpretin und spätere Gattin des Komponisten, hat eine geradezu elektrisierende Aufnahme davon hinterlassen. In der Nachkriegszeit behielten einige Nummern auch weiterhin eine gewisse Popularität, auf dem Theater war das Stück aber nur noch selten anzutreffen. Das änderte sich 2014 mit einer Produktion der Komischen Oper in Berlin, der einige weitere an deutschen und österreichischen Bühnen folgten, in jüngster Zeit auch an der Oper Graz.
In Maßen explosiv
Die Prämissen des Stücks sind stark: Unter dem Vorwand einer Filmproduktion mit dem Kinostar Clivia Gray versucht der amerikanische Unternehmer E.W. Potterton in die fiktive südamerikanische Republik Boliguay einzudringen, um einen Putsch gegen die dortige revolutionäre Regierung anzuzetteln, deren Politik den wirtschaftlichen Interessen der USA entgegensteht. Doch die Grenze ist dicht und das Filmteam erhält nur Einlass, wenn Clivia pro forma einen Bürger des Landes heiratet. Erst empört, willigt sie schließlich ein, da ihr der vorgesehene Partner, der Gaucho Juan Damigo, gefällt. Sie verliebt sich sogar in ihn und erst spät gibt der sich als der Präsident Olivero zu erkennen und läßt die amerikanischen Eindringlinge verhaften. Die im Entwurf angelegte politische Brisanz gibt der Librettist Charles (eigentlich: Karl) Amberg allerdings bald zugunsten operettenüblicher Paarkonflikte auf – neben Clivia und Juan fechten die „Amazone“ Jola und der Reporter Lelio aus Chicago ihren Liebesstrauß aus.
Musikalisch fällt auf – darauf hat Volker Klotz in seinem Operettenbuch hingewiesen –, dass Dostal den musikalischen Clash zwischen amerikanischer und südamerikanischer Unterhaltungsmusik nicht nutzt, vielmehr auf spanische Rhythmen zurückgreift, um Exotismus zu beschwören. Der melodische Einfallsreichtum, die rhythmische Beschwingtheit und die feine Instrumentation heben diese Partitur trotzdem weit über den Durchschnitt der Entstehungszeit hinaus.
Nur musikalisch vollständig
In der Diskographie dieser Operette finden sich einige attraktive Querschnitte mit Sari Barabas und Rudolf Christ, Renate Holm und Peter Minich, last but not least Margit Schramm und Rudolf Schock, letzterer vom Komponisten selbst dirigiert. Auf CD erhältlich ist unterdessen aber auch eine historische Rundfunkproduktion des NWDR von 1951 mit der jungen Anneliese Rothenberger und dem damals berühmten Tenor Rupert Glawitsch. Eine aktuelle Einspielung des Werks ist nach so langer Zeit sehr willkommen.
Wie schon bei der früher veröffentlichten Grazer Produktion der Strauß-Operette Eine Nacht in Venedig enthält der vorliegende Mitschnitt von cpo zwar die vollständige Musik von Nico Dostal, verzichtet aber auf die Dialoge. Es handelt sich also um eine lediglich musikalische Gesamtaufnahme, eine Aneinanderreihung von Nummern ohne dramaturgischen Zusammenhang. Man muss die Inhaltsangabe vorher genau studieren, um der Handlung folgen zu können. Will man das Stück wirklich kennenlernen, sollte man auf die erwähnte Aufnahme des NWDR zurückgreifen, die in preiswerter Ausführung beim Label Documents veröffentlicht wurde.
Solide Interpretation
Die musikalische Wiedergabe stellt der Grazer Oper ein gutes Zeugnis aus, vor allem was den orchestralen Bereich angeht. Die Grazer Philharmoniker unter Marius Burkert musizieren mit Schwung und einem Gespür für delikate Farbenspiele, werden Dostals Meisterschaft in der Instrumentationskunst gerecht. Die Sänger halten da nach besten Kräften mit. Der Grazer Haus-Diva Sabine Feldhofer, die auch durch Mitschnitte aus Bad Ischl überregional bekannt geworden ist, fehlt vielleicht der letzte glamouröse Schliff, aber sie macht in ihren Arien und in den Duetten mit Juan sängerisch gute Figur. Der ist in der Darstellung von Matthias Koziorowski zwar kein allzu wilder Gaucho, aber setzt in den lyrischen Teilen seinen angenehmen, schlanken Tenor wirkungsvoll ein, gerät erst im 2. Finale, wo er sich heroisch aufzuplustern versucht, an Grenzen. Das Buffo-Paar Jola und Lelio ist mit der Mezzosopranistin Anna Brull und dem Bariton Ivan Oreščanin angemessen besetzt, der Komiker Gerald Pichowetz serviert sein Couplet „Man muß mal ab und zu verreisen“ mit dem nötigen Witz.
Ekkehard Pluta [14.08.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Nico Dostal | ||
1 | Clivia (Operette in drei Akten) | 01:27:41 |
Interpreten der Einspielung
- Sieglinde Feldhofer (Clivia Gray, Filmschauspielerin - Sopran)
- Matthias Koziorowski (Juan Damigo, ein Gaucho - Tenor)
- Anna Brull (Jola, Juan Damigos Cousine - Mezzosopran)
- Ivan Oreščanin (Lelio Down, Reporter aus Chicago - Bariton)
- Markus Butter (H.W. Potterton, amerikanischer Geschäftsmann - Bariton)
- Martin Fournier (Caudillo, Besitzer einer Estancia - Tenor)
- Chor der Oper Graz (Chor)
- Grazer Philharmonisches Orchester (Orchester)
- Marius Burkert (Dirigent)