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Besprechung CD

Wilhelm Berger

Symphony op. 71 • Konzertstück op. 43a

cpo 555 462-2

1 CD • 77min • 2021, 2020

05.06.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Der 1861 geborene Wilhelm Berger war unter den Vertretern der zweiten Generation „Berliner Akademiker“ – also der den klassizistischen Idealen der Berliner Musikhochschule verpflichteten Komponisten – gewiss die herausragende Künstlerpersönlichkeit. Im Gegensatz zu manchem seiner älteren Kollegen war er kein Gegner Richard Wagners und durchaus offen für Anregungen harmonischer oder instrumentatorischer Art aus dem „neudeutschen“ Stilkreis, auch wenn er im Herzen immer Klassizist blieb.

Erfrischende Symphonie

Schlägt man in der MGG unter „Berger, Wilhelm“ nach, so weiß Ludwig Finscher über diesen Komponisten zwar manch Würdigendes zu sagen, meint aber zugleich, ihm eine schwächelnde melodische Erfindung zuschreiben zu müssen. Im gleichen Lexikon erfährt man aus dem vom selben Autor herrührenden Artikel „Symphonie“ außerdem, die zwei Symphonien Bergers seien „relativ blaß“. Diese Urteile fand ich anhand der mir bisher bekannten Kammermusik- und Orchesterwerke des Komponisten nicht nachvollziehbar, und auch die beiden nun von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter der Leitung von Clemens Schuldt in Ersteinspielungen vorgelegten Stücke geben mir keinen Grund, den Einwänden des Herrn Finscher zuzustimmen. Im Gegenteil: Die 1898 uraufgeführte Symphonie Nr. 1 erscheint mir rein im Hinblick auf die melodische Erfindung als eines der erfreulichsten Werke Bergers. In den drei raschen Sätzen wird ein wahres Füllhorn erfrischender musikalischer Gedanken ausgegossen, und der langsame Satz überzeugt mit weit geschwungenen, melancholischen Melodiebögen, an denen jeder Vorwurf der „Blässe“ und „Trockenheit“ abprallt. Und wie trefflich Berger seine Einfälle zu großen Formen zusammenfügt, wie einfallsreich er kontrapunktisch arbeitet (der Finalsatz beginnt mit einem Fugato), nicht zuletzt in welch strahlendes Klanggewand er das Ganze einzukleiden versteht, das alles hebt zusätzlich den Wert dieser vorzüglichen Symphonie.

Symphonisches Konzertstück

Als zweites Werk des Albums ist, mit Oliver Triendl als Solisten, das zehn Jahre ältere Konzertstück für Klavier und Orchester zu hören. Der Titel „Konzertstück“ erscheint sehr bescheiden gewählt angesichts der riesigen Ausmaße des Werkes. Berger hätte vielleicht besser daran getan, diesen halbstündigen Satz, der den Großteil seines meisterlich verarbeiteten Materials aus einer umfangreichen langsamen Einleitung gewinnt, als „Klavierkonzert in einem Satz“ oder „Konzertante Symphonie“ zu bezeichnen. Die Anlage des Werkes ist durchaus symphonisch, den Brahmsschen Klavierkonzerten vergleichbar. Solo und Tutti agieren eng miteinander verflochten. Die Solokadenz vor der Coda dient nicht der Demonstration vordergründiger Brillanz, sondern erweist sich als eine weitere Durchführung der wichtigsten Themen. Dass das Konzertstück bis heute ungedruckt ist, ist sehr zu bedauern. Welcher Verleger traut sich, durch die Herausgabe dieses Werkes dem Klavierkonzertrepertoire des späten 19. Jahrhunderts eine echte Bereicherung hinzuzufügen?

Nur, was in den Noten steht

Die Württembergische Philharmonie Reutlingen zeigt sich in dieser Aufnahme einmal wieder als hervorragend disponiertes Orchester. Dirigent Clemens Schuldt folgt sorgfältig den Anweisungen der Partituren, berücksichtigt aber zu wenig das, was nicht in den Noten steht: den melodisch-harmonische Zusammenhang im Großen. Deutlich hören lässt sich das überall dort, wo Berger mit Sequenzen arbeitet. Schuldt zeigt uns an diesen Stellen die einzelnen Klinkersteine, ohne sie zu vermörteln. Auch entgeht er, wenn Berger Staccato vorschreibt, der Versuchung nicht, die entsprechenden Töne zu sehr als isolierte Lokalereignisse herauszustellen. Nicht ohne Grund gelingt ihm der langsame Satz der Symphonie am besten, denn hier wünscht der Komponist überwiegend einen gebundenen Vortrag, und dies wird auch gut umgesetzt. Die Aufführung des Konzertstücks überzeugt mehr, was vor allem an Oliver Triendls Wiedergabe der Solopartie liegt. Der Pianist agiert umsichtig als Primus inter Pares und regt das Orchester zum spannungsvollen Dialog an, musiziert gleichsam mit ihm kammermusikalisch in großer Besetzung, womit er, wie mir scheint, der Rolle, die Berger dem Klavier zugewiesen hat, durchaus gerecht wird.

Zu loben bleibt, neben der ausgezeichneten Arbeit der Tontechniker, noch der von Oliver Fraenzke verfasste Einführungstext, der von inniger Vertrautheit mit Wilhelm Bergers Stil und den Eigenarten der eingespielten Werke zeugt.

Norbert Florian Schuck [05.06.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wilhelm Berger
1Konzertstück op. 43a für Klavier und Orchester 00:30:16
2Sinfonie B-Dur op. 71 00:46:24

Interpreten der Einspielung

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