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Besprechung CD

»Humanity«

Simone Drescher

GWK Records 157

1 CD • 69min • 2022

10.12.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die baltischen Länder sind eine Schatzkammer musikalischen Reichtums, dabei ist vieles für das mitteleuropäische Publikum noch weitgehend unentdeckt. Allein dies macht das Album mit dem Titel „Humanity“, die Veröffentlichung der Cellistin Simone Drescher im Zusammenwirken mit der Sinfonietta Riga, zu einem gleichsam ebenso idealistischen wie wichtigen Unterfangen. Das GWK-Label, welches der Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit angehört, präsentiert mit dieser eindrucksvollen Produktion ihr bislang wohl aufwändigstes Projekt, welches einmal mehr das Entdeckerherz höher schlagen lässt.

Die Einlösung sämtlicher Ansprüche gelingt der Cellistin und dem hochmotivierten lettischen Orchester so sehr, dass die elementare Botschaft ohne Umschweife zum Ausdruck kommt: Aus unterschiedlichen Epochen und Zeitkontexten heraus bekennen sich alle Komponisten in diesem Programm zur Humanität – mit meditativen und auch hochexpressiven Mitteln. Peer Henrik Nordgrends Konzert für Violoncello transportiert in einer unkonventionellen Satzstruktur eine dissonante Klangdichte. So kompakt die tonalen Schichten des Orchesterklanges aufeinanderliegen, so zentrieren sie sich um Simone Dreschers kraftvoll drängendes Cellospiel.

Es geht um das Spirituell-Mystische

Die musikalische Gegenwart im Baltikum ist viel stärker um das spirituell Mystische zentriert, während sich moderne Musik in Mitteleuropa häufig ins intellektuelle Segment zurück gezogen hat. Das allein macht das Programm dieser CD so aufschlussreich – und so öffnen sich im zweiten Cellokonzert des lettischen Komponisten Pēteris Vasks weitere Tore in unverbrauchte Welten voll tiefgehender Ausdruckswucht.

Simone Drescher lässt ihr Instrument singen, wobei sich aber auch immer etwas stark Artikulierendes, Sprechendes entfaltet – nicht selten in erschütternder Vehemenz. Auch das Cellokonzert von Pēteris Vasks kehrt übliche Satzstrukturen um, eben damit sich neue dramaturgische Wirkungen entfalten. Extrem ausgedehnte Kadenzen weisen Simone Drescher als äußerst souveräne Gestalterin auf exponierten virtuosen Gratwanderungen aus, die sich zu ergreifenden inneren Monologen verdichten. Wie ein Gebet wirkt der erste, ruhige, Satz. Der zweite Satz lässt alle aufgestauten Kräfte hervorbrechen, die durchaus so manches Bild aus heutiger monströser Wirklichkeit assozieren lassen. Am Ende siegt die Humanität: Im letzten Part des getragenen Finalsatzes lässt Simone Drescher ihr Instrument Instrument sein und singt leise, zart und völlig ungekünstelt eine innige Melodie.

Alte Musiktradition und musikalische Moderne vertragen sich gut, wenn es um spirituelle Dimensionen geht – und das eben auch auf einem Tonträger, der zwei baltische Komponisten in den Fokus rückt. Zwei raffinierte Bach-Bearbeitungen aus den Händen des Schweizers Simon Scheiwiller runden das Programm ab: Johann Sebastian Bachs Air aus der F-Dur-Pastorale wurde in einen sensiblen Streicherkontext verpflanzt, der die Melodien nicht antastet, sondern neue harmonische und klangliche Assoziationsebenen herstellt. Das Choralvorspiel Erbarm dich mein, oh Herre Gott macht am Ende dieser CD mit so etwas weiter – geht aber noch entscheidend darüber hinaus: Denn abermals ist Simone Drescher als einfühlsam Singende zu erleben.

Stefan Pieper [10.12.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Pehr Henrik Nordgren
1Konzert Nr. 1 op. 50 für Violoncello und Streichorchester 00:23:18
Johann Sebastian Bach
4Pastorella F-Dur BWV 590 (Bearb. für Violoncello und Streicher: Simon Schelwiller) 00:03:23
Pēteris Vasks
5Klātbūtne - Presence. Konzert Nr. 2 für Violoncello und Streichorchester 00:38:50
Johann Sebastian Bach
8Erbarm dich mein, o Herre Gott BWV 721 (Bearb. für Violoncello und Streicher: Simon Schelwiller) 00:03:34

Interpreten der Einspielung

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