Debussy Orchestrated
Petite Suite • La boîte à joujoux • Children's Corner
BIS 2622
1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2021
01.04.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Zuhörerschaft trennt – nicht nur bei Claude Debussy (1862-1918) – heute gerne zwischen sogenannten Originalkompositionen und Bearbeitungen, zu denen dann meist auch Orchestrierungen eigener Stücke gezählt werden. Den drei vorliegenden Instrumentationen von ursprünglichen Klavierwerken Debussys durch Dritte kommt jedoch eine Sonderrolle zu; sie gehören von jeher quasi zum festen Kanon von dessen Orchesterwerken, sind somit alles andere als Raritäten und Teil der meisten Gesamtaufnahmen.
Orchestrierungen mit kammermusikalischer Delikatesse
Das Original der Petite Suite hat Debussy 1899 für Klavier vierhändig verfasst – teilweise auf Verse von Verlaine. Die Orchesterversion (1907) stammt von Henri Büsser und fand große Zustimmung beim Komponisten. Die vier Sätze inszenieren eher eine höfische Gesellschaft vergangener Zeiten, mit kammermusikalischer Delikatesse instrumentiert. Hierbei betont der vorwiegend als kundiger Interpret neuester Musik hervorgetretene Dirigent Pascal Rophé genau diese Durchsichtigkeit und stimmungsvolle Klangschönheit, übertrifft mit seinem Orchestre National des Pays de la Loire aus Angers an Präzision die bereits hohe Qualität der Naxos-Aufnahme unter Jun Märkl, erreicht jedoch nicht ganz den Charme der schon legendären Einspielung von Jean Martinon.
La Boîte à joujoux – ein spätes Ballettmeisterwerk
Die „Spielzeugschachtel“, die als Klavierfassung Weihnachten 1913 fertig war, deren im Folgejahr begonnene Instrumentierung Debussy aber aufgrund seiner Erkrankung, des Krieges und anderer Projekte nicht mehr vollenden konnte, ist als komplettes Ballett für Marionettentheater, teils mit den typischen Figuren der Commedia dell’arte konzipiert. Bei der Orchestrierung durch den treuen Freund André Caplet (1919) fällt sofort die dominante Rolle des Orchesterklaviers auf, das den vier recht unterschiedlichen, allesamt meisterhaften Bildern samt Prélude und Epilog sozusagen einen festen Rahmen gibt. Martinon wirkt diesmal seltsam unbeteiligt, spult eine Art Filmmusik ab; einzig Märkl nimmt das Ganze mit dickerem – nicht groberem – Pinselstrich und versteht das Stück so als echtes, dramatisches Musiktheater. Rophé zelebriert erneut feine Kammermusik; und einmal mehr zeigt sich, dass auch in Frankreich die vermeintlichen Provinzorchester mit hervorragenden Solisten (hierbei z.B. Englischhorn) mittlerweile mühelos an die Standards etwa der Hauptstadt herankommen.
Unverwüstlicher Children’s Corner
Bei Caplets Orchesterfassung von Debussys unverwüstlichem Children’s Corner – die der Komponist selbst gerne dirigiert hat – gelingt Rophé sogar die vielleicht inspirierteste Darbietung. Nur streckenweise spielt er eine Spur langsamer als Martinon, lotet dafür die Details umso besser aus; Märkl hingegen ist hier deutlich zu träge. Jimbo’s Lullaby gerät Rophé äußerst zärtlich, in Golliwogg’s Cake-Walk hört man unverblümt ein Unterhaltungsorchester, das im Mittelteil genüsslich Wagner auf die Schippe nimmt. Aufnahmetechnisch übertrifft die BIS-Produktion erwartungsgemäß alle bisherigen Einspielungen. Wer also die drei Werke zusammen auf einer CD haben möchte, kann bedenkenlos zugreifen.
Vergleichsaufnahmen: Orchestre National de Lyon, Jun Märkl (Naxos 8.509002, 2007-10); Orchestre National de l’ORTF, Jean Martinon (Brilliant Classics 92765 [lizensiert von EMI], 1973-74).
Martin Blaumeiser [01.04.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Claude Debussy | ||
1 | Petite Suite L 65 (orchestr. Henri Büsser) | 00:14:29 |
5 | La Boîte à joujoux L 136 (orchestr. André Caplet) | 00:31:41 |
11 | Children's Corner L 113 (orchestr. André Caplet) | 00:18:04 |
Interpreten der Einspielung
- Orchestre Philharmonique des Pays de la Loire (Orchester)
- Pascal Rophé (Dirigent)