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Besprechung CD zum Thema
Russische Kammermusik

Dmitri Kabalewsky

String Quartets 1 & 2

cpo 555 006-2

1 CD • 63min • 2015

29.09.2017

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Man kennt Dmitri Kabalevsky (1904-1987) vor allem als Komponisten von pittoresk einfachen Kinderstücken für Klavier, von Konzerten für Klavier, Cello und Violine, und wohl auch mit seinen Symphonien, unter welchen die Vierte und letzte die interessanteste und ambitionierteste ist, und weiterer Orchestermusik oftmals recht unterhaltsamen Charakters. Seine hier vorgestellten zwei Streichquartette dürften manchen überraschen – das erste entstand 1928 (mit knapp 24 Jahren), das zweite 1945, und sie sind recht unterschiedlich, dabei aber sowohl in der einfachen, eingängigen melodischen Erfindung als auch in der strophenhaft reihenden, mit starken Koloritkontrasten unterstrichenen Formung ausgesprochen typisch russisch. Auch wenn er nicht die Höhe Schostakowitschs, auch nicht diejenige Prokofieffs oder Weinbergs erreicht, so sind sie doch ausgesprochen hörenswert, und technisch-tonlich sehr herausfordernd.

Das schwedische Stenhammar-Quartett, das sich schon mit der Gesamteinspielung der herrlichen Quartette seines Namensgebers Wilhelm Stenhammar profiliert hat, zeigt sich auch hier von den bereits bekannten positiven Seiten: hochvirtuoser Zugriff, homogene Klangkultur, sauberes und rhythmisch klar synchronisiertes Spiel. Hinzu kommt diesmal auch eine gewissenhaftere Beachtung der dynamischen Vorgaben. Weniger klar versteht man die kontrastierenden Tempi in Kabalevskys Musik – und dies nicht nur, weil oftmals die Phrasenenden da gedehnt werden, wo dies dem Momentum abträglich ist, sondern weil man sich nicht mit der jeweiligen Gesamtwirkung des Satzes eingehend beschäftigt hat. So dominiert – typisch für unsere Zeit – das Stimmungshafte (das in dieser Musik in hohem Maße gegeben ist) auf Kosten des energetischen Zusammenhangs: sowohl die bezwingende Zuspitzung auf konflikthafte Höhepunkte schwächelt, als auch die introvertierten Passagen in der Spannung abflauen. Das hat natürlich mit so manchen Tempo-Missverständnissen zu tun (man kann das Grundtempo eben nicht einfach vom Satzanfang ablesen, sondern muss zur Findung desselben die Gesamtentwicklung berücksichtigen!), aber auch mit Missinterpretationen in dynamischer Hinsicht, wie beispielsweise der Crescendi und Decrescendi im Kopfsatz des ersten Quartetts, wo man eben besonders darauf achten muss, das Anwachsen gerade auch auf den schwachen Taktzeiten fortzuführen, anstatt vorher abzufallen und das Crescendo als plötzliches Akzentuieren der neuen Eins zu deuten. Trotzdem, obwohl en detail vieles zu monieren ist, sei den vier Musikern, die hier alle in gleicher Weise bedeutend behandelt und gefordert sind (wozu geradezu symbolisch der fortwährende Stimmtausch beiträgt), hoher Respekt gezollt für das Engagement, mit welchem sie sich dieser wirklich anspruchsvollen, kaum je zu hörenden Werke angenommen haben.

Kabalevsky agiert hier, zumal im zweiten Quartett, formal sehr ambitioniert. Er liebt die zyklische Formung und die damit verbundene Möglichkeit, das Finale als natürliche Folge des Vorangegangenen erscheinen zu lassen – auch wenn der Schluss des Finales des zweiten Quartetts in seiner affirmativen Redundanz etwas aus dem Ruder läuft. Interessantes ist allemal an allen Ecken und in allen Winkeln dieser zwischen Grübelei und Scherz, zwischen Schwermut und Optimismus oszillierenden Musik aufgeboten. Wer die Streichquartettliteratur des 20. Jahrhunderts, der Epoche der sogenannten ‚klassischen Moderne’, kennen möchte, sollte sich diese Musik auf jeden Fall anhören, und gerne hören wir diese Quartette auch gelegentlich im Konzert. Sie sind dankbar, kraftvoll in ihrer Physikalität und berührend in ihrer poetischen Ausdruckskraft, und in ihrer handwerklichen Meisterschaft imposant. Der Aufnahmeklang in der Stockholmer Petruskirche ist klar, wobei eine gewisse Monotonie innerhalb gegebener dynamischer und registergebundener Bereiche auch in einer gewissen Askese des Stenhammar-Quartetts bezüglich der Farbgebung und Ausdrucksvielfalt begründet ist. Wie immer enthält die CD einen informativen Booklettext, der unterhaltsam mit viel Hintergrundwissen und originellen Gedankensprüngen aufwartet, auch wenn es sein kann, dass hier Kabalevsky ein bisschen mehr Genie zugeschrieben wird, als dieser gefeierte Repräsentant der sozialistischen Kunst letzten Endes wirklich besessen hat.

Christoph Schlüren [29.09.2017]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dimitri Kabalewsky
1Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 8 00:29:31
5Streichquartett Nr. 2 g-Moll op. 44 00:33:23

Interpreten der Einspielung

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