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Besprechung CD/SACD stereo

Sibelius

The Symphonies

BIS 2076

3 CD/SACD stereo • 4h 00min • 2012, 2013, 2014

14.11.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Man kann es aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten so unglaublich viele kompletten Zyklen der sieben Sinfonien von Jean Sibelius erschienen sind, und natürlich verdichtet sich der Ausstoß anlässlich seines 150. Geburtstags, der nicht nur für die Finnen, sondern für alle Musiker ein hoher Feiertag ist. Was man bedauern kann, ist, dass viele andere seiner Werke darüber umso konsequenter übersehen werden – sogar solche allbekannten Tondichtungen wie die Okeaniden oder En Saga, ganz zu schweigen von weniger bekannten Meisterwerken wie der Waldnymphe, der Eidechse oder der Schauspielmusik zu Shakespeares The Tempest. Und mancher Nörgler dürfte sich darauf versteifen, dass weitere Aufnahmen zu veröffentlichen längst eine überflüssige Angelegenheit geworden sei. Das müsste er dann aber konsequenterweise auch von allen Neuaufnahmen mit Beethoven-, Schumann-, Bruckner-, Mahler- oder Schostakowitsch-Sinfonien sagen. Im Falle Sibelius’ kann man es nur als extremen Glücksfall sehen, dass insbesondere die Finnen – seien es nun die Orchester oder die Dirigenten –, aber auch viele Briten und Amerikaner die Beschäftigung mit dieser Musik, die zweifelsohne einzigartig in der Geschichte sowohl der Sinfonik als auch des 20. Jahrhunderts dasteht, so weit und so intensiv betrieben haben, dass es kaum eine Musik gibt, wo das konkurrierende Niveau der Aufführungen mittlerweile so hoch ist wie bei Sibelius’ Sinfonien. Dafür ist auch dieser über drei Jahre entstandene Zyklus exemplarisch. Alle Kenner sind mit dem ersten Zyklus des Lahti-Sinfonieorchester unter Osmo Vänskä bei BIS vertraut, der im Rahmen der Sibelius-Gesamtaufnahme zusätzlich die Ersteinspielung der Erstfassung der Fünften Sinfonie enthielt und allein aufgrund dessen unverzichtbar ist für jeden, der sich ernsthaft mit dieser Sinfonie auseinandersetzt. Nun also der zweite Zyklus aus Lahti, diesmal unter dem einstigen Karajan-Assistenten Okko Kamu, der sich – erstaunlich bei einem der prominentesten finnischen Dirigenten – erstmals die Ehre gibt, alle sieben Sinfonien vorzulegen.

Es ist erstaunlich, wie anders das Orchester klingt und musiziert als unter Vänskä. Kamu profitiert von der nüchtern-sachlichen Auseinandersetzung mit den Strukturen, die sein Vorgänger Vänskä in unerbittlich puristischer, kühl geradliniger Weise vollzogen hat. Er erfüllt diesen aller Sentimentalität abholden Rahmen mit Wärme, Leben und – Atem. Und in vielen Fällen gelingt es verblüffend anmutig, die scheinbar gegensätzlichen Zugangsweisen zu vereinen. Einfach großartig, wie sehr diese Musiker in der Musik ihres größten Komponisten, der überhaupt einer der wenigen wahrhaft einzigartigen Giganten der abendländischen Musik war, zuhause sind. Und wie viel schöner wird der Kopfsatz der Ersten Sinfonie, wenn die starre Leine, der stressige Drill losgelassen wird, den Vänskä hier mit ideologischer Strenge verordnete, ohne dass dies in eine amerikanisierend oberflächliche Schwelgerei degenerieren würde. Ganz besonders erfreulich ist, wie Kamu den Übergang ins breite Schlusstempo des Finales der Ersten organisiert: endlich von organisch kontrastierender Wirkung, fernab der stupiden Redundanz, die fast überall durch ein zu frühes, erschlaffendes Breitwalzen eintritt. Was nie überzeugt, wirkt hier, als könne es nicht anders sein.

Bei weitem nicht überall kann von solch herausragender Qualität die Rede sein, oftmals übernimmt eine pauschale Geordnetheit, die die Einmaligkeit der Musik eher erahnen als erfahren lässt. Doch nie fällt es unter ein fraglos überdurchschnittliches Niveau, und auch wenn zum Beispiel das Dirigat John Storgårds’ in seinem voriges Jahr bei Chandos erschienenen Manchester-BBC-Zyklus fesselnder und lebendiger ist, hören wir doch hier aus Lahti ein Orchester, das tiefer in dieser Musik lebt, unter einem Dirigenten, der große Gelassenheit ausstrahlt und es nicht nötig hat, sich mit interpretatorischem Eigensinn zu profilieren. Natürlich darf man nicht an die Fünfte Sinfonie unter Celibidache in Stockholm (DG) oder an die Vierte unter Berglund mit dem Chamber Orchestra of Europe (Warner Classics) denken, und gewiss gibt es in jeder Sinfonie noch idiomatischer und vor allem bezwingend zusammenhängender erfasste Aufnahmen, doch die hier vorliegende bestätigt damit gerade auch, wie herausragend das Gesamtniveau mittlerweile ist. Das Eis ist dünn für Sibelius-Dirigenten, und Kamu bricht keineswegs ein. Hörenswert, auch dank des exzellenten Klangbilds, und wie kaum anders zu erwarten flankiert von einem kompetent ausführenden Booklettext Andrew Barnetts.

Christoph Schlüren [14.11.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Jean Sibelius
1Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39 00:38:24
5Sinfonie Nr. 4 a-Moll op. 63 00:38:07
CD/SACD 2
1Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 00:44:56
5Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82 00:34:42
CD/SACD 3
1Sinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52 00:29:29
4Sinfonie Nr. 6 d-Moll op. 104 00:29:06
8Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105 (Fantasia sinfonica) 00:22:40

Interpreten der Einspielung

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