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Besprechung CD

Georg Philipp Telemann The Grand Concertos for Mixed Instruments Vol. 1

cpo 777 859-2

1 CD • 63min • 2013, 2014

12.09.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Mit der vorliegenden CD beginnt Michael Schneider nach seiner inzwischen auf 8 CDs angewachsenen Reise durch den Kosmos der Bläserkonzerte Georg Philipp Telemanns eine auf 4 CDs angelegte Reihe, die sich Telemanns Konzerten für gemischte Besetzungen widmen wird. Prachtvoll eröffnet ein Concerto für 2 Trompeten, 2 Oboen, Streicher und Basso continuo den Reigen; es diente auch tatsächlich als Ouvertüre des Schäferspiels Pastourelle en musique, das in Telemanns Frankfurter Zeit entstand. Dieser wirkungsvollen Einleitung folgt eine vielfältige Abfolge konzertanter Musik für reizvoll kombinierte Gruppen von Soloinstrumenten. Michael Schneiders besondere Liebe zu Georg Philipp Telemann und seine tiefe Vertrautheit mit dessen Musik münden in besonderen Interpretationen: Die Raffinesse, mit der sich Telemann in stilistischer Vielfalt bei italienischen und französischen Vorbildern, aber auch bei der deutschen Tradition des 17. Jahrhunderts bedient, und sein Reichtum an Farben und Affekten kommen wunderbar zur Geltung; vor allem gerät auch der allgegenwärtige Charme des Barockmeisters nie aus dem Blickfeld. Die Hingebung, Stilsicherheit und auch die Lust am Spiel, mit der Schneider und seine Mitmusiker in perfekter Harmonie agieren, weisen La Stagione Frankfurt schon seit langem einen der ersten Plätze in der Landschaft der Barockensembles zu. Als Botschafter der Alten Musik stehen sie mit großem Sachverstand für ihre Interpretationen ein, ohne dabei hörbar von einem ideologischen Grundansatz gelenkt zu sein. Vielmehr scheinen sie Telemanns Rat zu beherzigen „Gib jedem Instrument das, was es leiden kann, so hat der Spieler Lust, du hast Vergnügen dran“, denn auch das Anhören dieser neuen CD ist wieder ein Vergnügen, bei dem zu keiner Sekunde das unangenehme Gefühl aufkommt, mit einem „So muss das sein!“ belehrt zu werden.

Zu einigen Stücken dieser Aufnahme lohnt es sich, andere Interpretationen zum Vergleich heranzuziehen. Zunächst das Concerto B-Dur für 2 Traversflöten, Oboe und Violine TWV 54:B1 – es findet sich auf einer 2009 eingespielten CD des Ensembles Holland Baroque Society unter dem Flötisten Alexis Kossenko – die Niederländer gehen mit Verve zur Sache, nicht undifferenziert, aber sie spielen mit ihrem frischen Ansatz doch über manche Subtilität hinweg, die bei La Stagione nicht unbeachtet bleibt, was besonders im Mittelsatz Dolce auffällt.

Das Concerto E-Dur für Traversflöte, Oboe d'amore und Viola d'amore TWV 53:E1 bietet Möglichkeit zu zweifachem vergleichendem Hören: 1981 war es von Christopher Hogwood mit der Academy of Ancient Music eingespielt worden, 1994 nahm es La Stravaganza Köln unter Andrew Manze auf (die CD ist inzwischen leider vergriffen). Dieses Werk mit seiner farbig besetzten Sologruppe gehört zu den Juwelen an Einfallsreichtum im Schaffen Telemanns, im Begleittext zu dieser CD wird passend darauf hingewiesen, dass es einen pastoralen Tageslauf darstellen könne „vom Sonnenaufgang über arkadischer Landschaft über das lustige Zusammensein der Nymphen und Schäfer zur Mittagszeit und die nachmittägliche Liebesklage des einsamen Schäfers hin zum abendlichen Tanzvergnügen der arkadischen Protagonisten.“ Diese arkadische Deutung scheint mir bei Christopher Hogwood mit noch mehr Delikatesse umgesetzt zu sein als bei Michael Schneider, doch sind beide Dirigenten hier absolut Brüder im Geiste; bei La Stravaganza überwiegt der musikantische Ansatz und das Deutungsmuster scheint hier weniger angemessen. Dieser Dreiervergleich führt allerdings auch zu der Frage, ob es in der Aufnahmetechnik seit 1981 bis zur Einspielung der hier zu besprechenden CD irgendwelche nennenswerten Fortschritte gegeben habe? Die Aufnahme von Decca/L’Oiseau Lyre, 1981 in den Kindertagen der Digitaltechnik durchgeführt, schafft eine wunderbare und vor allen Dingen konstante Räumlichkeit im Unterschied zu der heutigen Verfahrensweise des Deutschlandfunks, wo die Soloinstrumente immer deutlich in den Vordergrund gerückt werden, was insgesamt zu einem flacheren Klangbild führt. Die Krone, was die Aufnahmetechnik angeht, gebührt allerdings der Firma Denon, die mit lebendigster Klanglichkeit fast die Atmosphäre eines Live-Erlebnisses heraufbeschwört. Leider sind die CDs von Denon nicht mehr auf dem von Deutschland aus erreichbaren Markt.

Die letzten beiden Stücke der CD nehmen Telemanns Verankerung in der deutschen Tradition in den Blick, die freilich auch vor ihm, dem Meister der „réunion des goûts“ in Deutschland, nicht ohne Einflüsse aus dem Ausland war. Im Concerto a-Moll TWV 44:42 konzertieren gleichartige Gruppen, im Telemannwerkverzeichnis wird das Stück daher als Septett zur groß besetzten Kammermusik gerechnet. Reizvoll macht die Vergleichssituation mit der Aufnahme der Musica Antiqua Köln der Umstand, dass Michael Schneider damals als Mitglied des Ensembles an der Aufnahme beteiligt gewesen ist. Die beiden Einspielungen trennt jedoch mehr als der Zeitraum von 30 Jahren: Es waltet doch der zupackende dramatischer deklamierende Geist des Ensembleleiters Reinhard Goebel über der älteren Aufnahme, Eleganz wie in Schneiders neuer Deutung des Stückes war damals im Aufnahmestudio nicht gefragt.

Den Abschluss der CD macht eine „Sinfonia“ in F-Dur, die aufgrund dieser Überschrift der einzig erhaltenen Abschrift des Werks in Darmstadt im Telemannwerkverzeichnis in diese Werkgruppe gekommen ist. In der Tat handelt es sich hier um ein Konzert für Blockflöte und Gambe. Die Mitwirkung eines Zinks in den Ecksätzen verleiht dem Werk eine feierliche Atmosphäre, die bei Michael Schneider und in der Vergleichsaufnahme gut zum Ausdruck kommt. Freilich wirken gelegentliche agogische Veränderungen beim Vortrag der Mitteldeutschen Barocksolisten Leipzig eher störend als belebend, hier scheint Michael Schneiders strenger durchgehaltenes Tempo besser am Platz.

Michael Schneider ist mit dieser ersten CD der „Grand Concertos“ von Georg Philipp Telemann (so nennt das englische Titelblatt der CD diese Stücke) ein großartiger Wurf gelungen, die aufgrund ihrer lebendigen, stilkundigen und liebvollen Darstellungsweise keinen Vergleich mit der inzwischen über dreißigjährigen Interpretationsgeschichte dieser Werke auf CD scheuen muss, sondern sich trotz leichter Einwände bezüglich der Aufnahmetechnik in vorderster Reihe der aktuellen Neuerscheinungen Alter Musik wiederfindet.

Verleichseinspielungen: TWV 54:B1: Holland Baroque Society, Kossenko (SACD: CCS 28409) TWV 53:E1: Academy of Ancient Music, Hogwood (CD: Dec 4780022), La Stravaganza Köln, Manze (Denon CO78933, vergriffen) TWV 44:42: Musica Antiqua Köln, Goebel (CD: DG 4137882) TWV 50:3: Mitteldeutsche Barocksolisten Leipzig (CD: RK 59806).

Detmar Huchting [12.09.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Georg Philipp Telemann
1Concerto D-Dur TWV deest (Ouvertüre zu Pastorelle en Musique) 00:10:34
6Concerto B-Dur TWV 54:B1 00:12:13
10Concerto D-Dur TWV 53:D3 00:07:44
13Concerto E-Dur TWV 53:E1 00:17:20
17Concerto a-Moll TWV 44:42 00:07:03
21Sinfonia F-Dur TWV 50:3 00:07:27

Interpreten der Einspielung

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