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Besprechung CD

DG 479 3441

1 CD • 63min • 2013

13.08.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Dieser Live-Zusammenschnitt von Claudio Abbados letzten Konzerten, die im August 2013 mit dem von ihm handverlesenen Lucerne Festival Orchestra auf höchstem instrumentalen und identifikatorischen Niveau stattfanden, hat eine durchweg ergreifende Qualität und dürfte kaum einen Hörer unberührt lassen. Warum man Bruckners unvollendeter Neunter Sinfonie nicht auch noch den ersten Programmteil, Schuberts unvollendete h-Moll-Sinfonie, beigegeben hat, erscheint mir dabei unverständlich. Man muss weder Abbado-Fan sein noch in kritischer Distanz zu seinem Wirken sich bewegen, um zu verstehen, dass es hier ein Musiker vermocht hat, ein großes Orchester im Ausdruck ohne autokratischen Zwang zu einen und es zu veranlassen, das Letzte zu geben; und so möchte ich konstatieren, dass neben – auch klangtechnisch vorzüglich abgebildeter – instrumentaler Makellosigkeit die selbstvergessene kollektive Hingabe das Hauptmerkmal dieser guten Stunde orchestralen Zusammenwirkens bildet. Es herrscht kein Dogma, die Satzentwicklung wird nicht gewaltsam forciert, tatsächlich überträgt sich der Eindruck einer gemeinsam atmenden Freiheit der Gestaltung. Abbado und seine Mitstreiter sind in der Lage, die breiten Tempi der Ecksätze absolut plausibel erscheinen zu lassen, indem nicht die Idee der Langsamkeit dominiert, sondern diese sich aus der natürlichen Musizierhaltung heraus von selbst einstellt. Es ist ein überwiegend elegischer Bruckner, mit zum großen Teil sehr schön gestalteten und sensibel empfundenen Übergängen.

Was fehlt? Die Kontraste können sich nicht in der bezwingenden Weise auswirken, wie sie potentiell gegeben wäre, denn bei aller über weite Strecken pulsierenden Qualität verschwimmen die gegensätzlichen Tempoqualitäten. Wo ein unerbittliches Momentum, das in der Phrasierung allein mit dynamischen Mitteln (also der Differenzierung der Lautstärke) auskommen müsste, den Energiefluss im größeren Zusammenhang steuern sollte, ist die Tempoauffassung romantisierend; zusätzliche – und im jeweiligen Moment sehr suggestiv wirkende – Tempoveränderungen, seien es Beschleunigungen oder Verlangsamungen, scheinen ein bruchloseres Kontinuum zu schaffen, doch dadurch verlieren die Gegensätze innerhalb des Ganzen an Kraft und Wirkung. So ist es auch nicht möglich, das Seitenthema des Adagios in seiner Wirkung breiter und damit die Introversion der damit verbundenen Welt vertiefender erscheinen zu lassen im Verhältnis zur hauptthematischen Episode, die hier Mahler-näher denn je wirkt. Auch ist Abbado eben seit jeher vor allem ein empfindsamer Melodiker gewesen, dem im Alter mehr als zuvor auch an der Herausarbeitung des weitgespannten Liniengeflechts lag, doch sein Verstehen der diffizilen wie auch der einfachen harmonischen Spannungsverhältnisse bewegte sich nicht auf der gleichen Höhe – sowohl im Kleinen als im Großen. Mit anderen Worten, es fehlt die letzte bezwingende Dimension der Form. Davon abgesehen, bleibt es bewegendes und bezauberndes Erlebnis, der Intensität, Schönheit und gelassenen Aufrichtigkeit dieses Musizierens zu lauschen, und es verdient allerhöchsten Respekt, wie es Abbado und seinen Musikern gelang, in unerzwungener Gemeinschaftlichkeit eine solche Einheitlichkeit des harmonisch strömenden Ausdrucks zu erreichen, wie das heute kaum irgendwo der Fall ist.

Christoph Schlüren [13.08.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Anton Bruckner
1Sinfonie Nr. 9 d-Moll WAB 109 01:03:09

Interpreten der Einspielung

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