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Besprechung CD

Einav Yarden Oscillations Piano music by Beethoven & Stravinsky

Challenge Records CC72599

1 CD • 70min • 2013

08.11.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Die israelische, heute in Berlin lebende Pianistin Einav Yarden wird derzeit ziemlich hoch gehandelt. Sie ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe und tritt auf den bedeutendsten Festivals auf. Nun hat sie beim niederländischen Label Challenge Records ihre Solo-Debüt-CD mit Werken von Beethoven und Strawinsky veröffentlicht. Man möchte vorwegschicken, dass man es als junge Künstlerin heute wirklich nicht leicht hat, überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Auf dem Klassikmarkt wimmelt es nur so von Talenten und die Flut der Tonträgerveröffentlichungen steigt unaufhörlich. Was also aufnehmen? Einav Yarden hat mit zwei der weniger oft zu hörenden Sonaten und den späten Bagatellen Beethovens sowie mit der Klaviersonate und einigen kleineren Solowerken Strawinskys einen ziemlich guten Kompromiss gefunden.

Beethovens Musik macht mich (auch nach Jahrzehnten) immer noch Staunen. Kehrt man – wie ich – nach längerer Zeit zu seiner Klaviermusik zurück, entdeckt man wieder Neues, bislang Ungehörtes, andere Zusammenhänge, kurz gesagt alles, was ein musikalisches Meisterwerk ausmacht. So sehr ich Igor Strawinskys Musik im Allgemeinen schätze – seine Klaviermusik hat mich nie sonderlich gereizt. Merkwürdigerweise spielt das Klavier in seinem Gesamtœuvre auch nicht die Rolle, die man hätte erwarten können. Wie viele andere russische Komponisten war er selbst zwar ein vorzüglicher Pianist (und komponierte nach eigenem Bekunden ausschließlich am Klavier), aber er bedachte (darin Schostakowitsch ähnlich) „sein“ Instrument keineswegs mit den bedeutendsten Werken seines Schaffens – ganz im Gegensatz etwa zu Rachmaninow oder Prokofieff.

Auch wenn Beethoven und Strawinsky vielleicht kein ideales Paar abgeben, so hat Yardens Konzept dennoch etwas Schlüssiges. Sie kontrastiert veritable Sonaten beider Komponisten mit kleineren Stücken. Im Falle Beethovens bewegt sich die Musik ungeachtet der Form auf höchstem Niveau, von den kleineren Stücken Strawinskys treffen sich aber höchstens die bekannte Piano-Rag Music und der Tango mit der Sonate auf Augenhöhe. Insofern scheint mir die Repertoirewahl etwas „gesucht“. Klangtechnisch, von der editorischen Arbeit und vom Artwork hinterlässt die Aufnahme einen sehr guten Eindruck. Musikalisch jedoch stellt mich manches vor ein Rätsel.

Es ist unüberhörbar, dass Einav Yarden eine vorzügliche Pianistin ist, der alle technischen und musikalischen Mittel zu Gebote stehen. Unverständlich daher, warum sie etwa in Beethovens 10. Sonate (op. 14/2) die sorgfältigen dynamischen und artikulatorischen Anweisungen des Komponisten zuweilen ignoriert oder – noch öfter – nivelliert. Beethovens Musik lebt gerade von diesen Feinheiten. Ihr diese gewollten Kontraste vorzuenthalten, beraubt sie in vielerlei Hinsicht ihrer Essenz. Vieles ist mir hier agogisch zu romantisierend, besonders eingedenk der Entstehungszeit des Stückes 1798. Die nur wenige Jahre zuvor entstandene 6. Sonate (op.10/2) gelingt ihr besser. Hier nutzt sie ihr Potential zu vielfältigerer Artikulation, besonders fein musiziert ist der 2. Satz.

Beethovens Bagatellen op. 119 entstanden über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren und wurden erst durch Vermittlung seines Schülers Ferdinand Ries 1823 in London publiziert. Auch in diesen vermeintlich „kleinen“ Stücken ist Beethoven absolut er selbst. Für mich sind es immer noch wahre Perlen des Repertoires! Leider findet Einav Yarden auch hier keine wirkliche Balance: Immer wieder nimmt sie es mit Beethovens dynamischen Kontrasten nicht so genau, versteigt sich zu Tempo-Exzessen (Allegramente bedeutet nicht Prestissimo!) oder nimmt sich Rubato-Freiheiten wie in einem Schumann-Stück. Kurz, neben vielen wirklich schönen Details stören mich auch hier die zahlreichen Willkürlichkeiten.

In Strawinskys Sonate gerät ihr der Schlusssatz am überzeugendsten, der erste lässt eine gewisse Pointiertheit vermissen. Mit Widerborstigkeit und Delikatesse bringt sie hingegen den 1919 für Rubinstein konzipierten Piano-Rag und den Tango aus dem Jahr 1940 trefflich auf den Punkt.

Heinz Braun † [08.11.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 10 G-Dur op. 14 Nr. 2 00:15:33
Igor Strawinsky
4Klaviersonate (1924) 00:10:44
Ludwig van Beethoven
7Klaviersonate Nr. 6 F-Dur op. 10 Nr. 2 00:14:23
Igor Strawinsky
10Polka 00:00:50
11Valse 00:01:59
12Les cinq doigts for Piano (1921) 00:00:38
13Les cinq doigts for Piano (1921) 00:01:23
14Valse pour les enfants for Piano (1917) 00:01:00
15Piano Rag Music 00:03:18
16Tango for Piano (1940) 00:03:10
Ludwig van Beethoven
17Bagatelle g-Moll op. 119 Nr. 1 – Allegretto 00:02:32
18Bagatelle C-Dur op. 119 Nr. 2 – Andante con moto 00:00:56
19Bagatelle D-Dur op. 119 Nr. 3 – à l'Allemande 00:02:08
20Bagatelle A-Dur op. 119 Nr. 4 – Andante cantabile 00:01:56
21Bagatelle c-Moll op. 119 Nr. 5 – Risoluto 00:01:14
22Bagatelle G-Dur op. 119 Nr. 6 – Andante - Allegretto leggiermente 00:01:44
23Bagatelle C-Dur op. 119 Nr. 7 – Allegro ma non troppo 00:01:08
24Bagatelle C-Dur op. 119 Nr. 8 – Moderato cantabile 00:02:11
25Bagatelle a-Moll op. 119 Nr. 9 – Vivace assai ed un poco sentimentale 00:00:41
26Bagatelle A-Dur op. 119 Nr. 10 – Allegramente 00:00:14
27Bagatelle B-Dur op. 119 Nr. 11 – Andante ma non troppo 00:02:06

Interpreten der Einspielung

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