Lisa Batiashvili
Johannes Brahms • Clara Schumann
DG 479 0086
1 CD • 48min • 2012
29.01.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Begleitheft kann man lesen, was Lisa Batiashvili über die Musik von Johannes Brahms und Clara Schumann denkt. Sie empfindet sich als Medium und sucht nach Seelenzuständen. Hört man das alles auch? Es ist unbestreitbar eine der subtilsten Interpretationen des Brahms-Konzertes – die georgische Geigerin scheint sich in die eigene Sensibilität zu verkriechen. Nicht, dass sie die effektvolleren, gelegentlich sogar virtuosen Aspekte dieser Musik verdrängt – die entsprechenden Passagen im ungarisierenden Finale sind makellos und mit Temperament gemeistert. Aber der bestimmende Endruck wird doch zuvor ausgelöst – im Eröffnungssatz, bei dem die Violinistin jeden Ton auszusingen sucht, und im Adagio, laut Batiashvili „eine unglaublich leidenschaftliche Liebeserklärung – und die Geige erscheint hier als Frauenstimme“. So viel Verhaltenheit und verinnerlichte Gefühlsemphase mag vielleicht nicht jedermanns Sache sein – kaum bestreiten lässt sich, dass das große Fließen zu lauterer Schönheit gerinnt. Selten ist das lyrische Herz in Brahms’ Brust so betörend freigelegt worden.
Zudem wird das Konzert auf dem selben Instrument vorgetragen, das einst bei der Uraufführung erklang – nämlich die Stradivari-Geige des Widmungsträgers Joseph Joachim. Batiashvili: „Ich hatte das Gefühl, über das historische Instrument auch Hinweise auf Brahms‘ Klangvorstellungen zu bekommen.“ Dann gibt es eine pittoreske Besonderheit: als Kadenz im Kopfsatz wählte Batiashvili nicht die traditionelle Fassung von Joachim, wie es die meisten Interpreten tun. Erstaunlicherweise auch nicht von einem Geiger geschrieben (wie etwa Repin jene von Heifetz oder Kremer jene von Enescu) und nicht selber komponiert (wie Vengerov oder Kennedy), sondern gewissermaßen von einem Aussenstehenden erdacht, nämlich von Ferruccio Busoni; von Pauken und weitern Instrumenten grundiert, geht diese Einlage eigene und sehr originelle Wege.
Ergänzt wird das Brahms-Konzert mit einem rund ein Vierteljahrhundert älteren Werk, den Drei Romanzen op. 22 von Clara Schumann (1853). Der schwärmerische Grundgestus, auch wenn er sich im letzten Stück spürbar steigert, bleibt unverkennbar. Da hat die Geigerin ihre pianistische Begleiterin Alice Sara Ott auf den gleichen Ton eingeschworen, was ihr kaum minder im Brahms-Konzert mit Christian Thielemann und der Staatskapelle Dresden gelingt. Um noch einmal Batiashvili zu zitieren: „…dass wir die Musik nutzen müssen, um Gefühlswelten zu entdecken.“
Mario Gerteis † [29.01.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Konzert D-Dur op. 77 für Violine und Orchester | 00:38:04 |
Clara Schumann | ||
4 | Romanze Des-Dur op. 22 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:02:46 |
5 | Romanze g-Moll op. 22 Nr. 2 für Violine und Klavier – Allegretto, mit zartem Vortrge | |
6 | Romanze B-Dur op. 22 Nr. 3 für Violine und Klavier – Leidenschaftlich schnell |
Interpreten der Einspielung
- Lisa Batiashvili (Violine)
- Alice Sara Ott (Klavier)
- Staatskapelle Dresden (Orchester)
- Christian Thielemann (Dirigent)