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Besprechung CD

Benjamin Britten: Unknown Britten

NMC D140

1 CD • 78min • 2009, 2008

13.01.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Diese Produktion macht auf mich einen in jeder Hinsicht zwiespältigen Eindruck: Brittens Liederzyklus Les Illuminations habe ich zuvor noch nie schöner gesungen gehört als hier von der fantastischen Sopranistin Sandrine Piau. Auch die anderen beiden Solisten, Rolf Hind und Michael Collins, lassen nichts zu wünschen übrig. Andererseits ist Thomas Zehetmair, der hier als Dirigent der Northern Sinfonietta fungiert, bei aller Bewunderung wohl doch ein besserer Geiger: Die musikalische Gestaltung wirkt seltsam ungerichtet, auf das Machen im Moment beschränkt, und strahlt leider meist nur wenig innere Beteiligung aus. Dazu trägt der kühle Klangcharakter der Produktion ebenso bei wie das im Farbspektrum recht eingeschränkte Spiel der Northern Sinfonietta: Nie kommt der Klang völlig ins Glühen; im letzten Moment läßt Zehetmair oft zu viel Zurückhaltung walten. Auf der anderen Seite ist die Detailfülle bestechend; das Orchester musiziert hellwach und stellt die Faktur der Stücke sehr durchsichtig und plastisch heraus.

Der Rest der CD enthält Werke, die Britten aus verschiedenen Gründen nicht vollenden konnte oder wollte – ein Rondo Concertante für Klavier und Streicher (1930), eine Hommage an den jung verstorbenen, genialen Hornisten Dennis Brain für vier Hörner und Streicher (1958), ein frühes, nicht zuordbares Fragment für Streicher (1930), die unvollendeten Klavier-Variationen (1965) und der Entwurf eines Klarinettenkonzertes (1942). Realisiert und nötigenfalls instrumentiert wurden die unvollendeten Stücke durch den Komponisten Colin Matthews. Er kennt Brittens Idiom sehr genau und ist mit dessen Musik seit Jahrzehnten vertraut. Doch angesichts dieser vielen Fragmente fragt man sich unwillkürlich, ob man hier nicht einen kleinen Einblick in Frankensteins Labor bekommt? Matthews wird im Booklet nur zitiert, er gibt keine direkte Auskunft über Sinn und Motivation seiner Arbeiten, und die Resultate sind qualitativ ausgesprochen unterschiedlich. Einerseits versuchte er nicht, die Fragmente tatsächlich zuende zu komponieren, andererseits mußte er doch oft kompositorisch ergänzen. Die Problematik des eigenen Tuns ist ihm offenbar durchaus bewußt. So nennt er seine Realisation des Klarinettenkonzerts „Movements for a Clarinet Concerto“, um zu unterstreichen, dass das Werk so nicht von Britten intendiert war (im Booklet steht übrigens fälschlich „für Klarinette und Streicher“, obwohl das Werk für volles Orchester instrumentiert ist). Andererseits war nur die für den ersten Satz verwendete Skizze tatsächlich für das Klarinettenkonzert gedacht; der zweite Satz ist die Instrumentierung einer Mazurka für zwei Klaviere; das Finale greift auf einen Entwurf für eine ebenfalls nie vollendete Sonate für Streicher zurück. Dabei ist das Ergebnis ein durchaus nach Britten klingendes, sehr wirkungsvolles und vollblütiges Klarinettenkonzert, das besser "Clarinet Concerto, realised by Colin Matthews from sketches by Benjamin Britten" genannt worden wäre. Dies Werk ist freilich nun eine echte Repertoire-Bereichung und überzeugt auch auf dieser CD, weil es Zehetmair offenbar weit mehr liegt als alle anderen Stücke und er endlich einmal wirklich vital ins Musizieren-Lassen kommt. Doch angesichts der anderen, mitten drin abbrechenden Werke fragt man sich: Cui bono? Gleichwohl werden Britten-Fans die CD als Bereicherung ihrer Sammlung nicht missen wollen.

Dr. Benjamin G. Cohrs [13.01.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Benjamin Britten
1Les Illuminations op. 18 für Sopran und Orchester (nach Arthur Rimbaud) 00:31:29
14Rondo Concertante 00:14:58
16In memoriam Dennis Brain 00:03:53
18Untitled Fragment 00:02:44
19Variations 00:06:26
25Movements for a Clarinet Concerto 00:17:50

Interpreten der Einspielung

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