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Besprechung CD

Unexpected Encounters

Ondine ODE 1154-2

1 CD • 77min • [P] 2009

10.12.2009

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Wie verschieden können exzentrische Auffassungen auf ein und denselben Hörer wirken! Ich spreche (und schreibe) in diesem ganz speziellen Fall von mir und niemandem anderen. Zur Erinnerung: Es sind vor einiger Zeit die wundersamen Rameau-Ausformungen Tzimon Bartos (Ondine 1067-2) mit ihren schier uferlosen dynamischen Abstufungen bis an die Grenzen des Wahrnehm- und Empfindbaren erschienen. Und nun kommen diese vier Haydn-Sonaten aus den philosophierenden, spekulierenden Händen eines Gedanken-Jongleurs, der sich nicht scheut, ein Final-Menuett und sämtliche langsamen Sätze in die Nähe musischen Erfrorenseins zu rücken. Mit anderen Worten: Joseph Haydn – die eindeutig raschen Finalsätze ausgeklammert – im Status des Aufgebahrtseins, seine Musik in Sang, Klang und Phrasierung nach individuellen Regeln in den Zustand des Scheintods verfrachtet!

Da kann es nicht überraschen, wenn Witz und Humor ausgeklammert bleiben. Mit spitzen Fingern, zuweilen auf Samtpfoten, schleicht Barto durch diese an sich so vitale, selbst in melancholischen, in ariosen Momenten (Hob. XVI/23!) so lebensbejahende Welt der kontrastreichen Klein- und Mittelformate. Dieser muskulös Hochgebildete tastet die Partituren gleichsam wie ein vorsichtiger Wissenschaftler ab, als sei dem Klavier in erster Linie die Funktion eines Mikroskops überantwortet. Auch Glenn Gould hat sich in den sechs späten Sonaten in einer Art Laborklima bewegt und die entsprechenden Stücke ohne Wenn und Aber auf seine Weise durchleuchtet. Barto aber erhöht das Defensivpotential des Anschlags und der Tempogebung bis an die Schwelle des Verharrens. Und er überschreitet bisweilen eine gestalterische Linie, deren Jenseits nur mehr Langeweile verbreitet. Da nützt es auch nichts, wenn sich die Fingerspitzen im Auftrag des planenden Interpreten um Nuancen im Mikrobereich bemühen. Alles im Umfeld vor allem der drei Adagio-Sätze (Hob. XVI/1, 23 und 50) und des Andante con moto aus Hob. XVI/20 wirkt gekünstelt, ausgetüftelt, wie hinter vorgehaltener Hand geflüstert.

Natürlich wird man Barto keine Sekunde lang Sorglosigkeit vorwerfen, wie seinem munter rauf und runter spulenden Kollegen Marc-André Hamelin. Aber wenn ich nur an das elegisch-glückhafte Adagio der F-Dur-Sonate mit seiner weit gespannten Kantilene denke (und in diesem Zusammenhang an den Oberstimmenzauberer Horowitz!), dann zögere ich nicht – bei allem Respekt –, die Austrocknungsexperimente Bartos gegen Ende des Haydn-Jahres 2009 zurückzuweisen, allenfalls in die Rubrik „Künstlerische Sonderfälle“ einzuordnen (und unter diesem Motto auch allen Verehrern des Absonderlichen ans Herz zu legen, selbst auf die Gefahr hin, dass es im Verlauf der Hörlektüre zum Stillstand kommt!).

Vergleichsaufnahmen: F-Dur Hob.XVI/23: Horowitz (CBS/Sony), de Figueiredo (passacaille 955); C-Dur Hob.XVI/50: Gould (Sony), Hamelin (Hyperion CDA 67554), A. Schiff (Warner - früher Teldec - 2564 69967-4)

Peter Cossé † [10.12.2009]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Joseph Haydn
1Klaviersonate Nr. 10 C-Dur Hob. XVI:1 00:14:37
4Klaviersonate Nr. 38 F-Dur Hob. XVI:23 00:22:18
7Klaviersonate Nr. 42 G-Dur Hob. XVI:27 00:16:49
10Klaviersonate Nr. 60 C-Dur Hob. XVI:50 00:22:49

Interpreten der Einspielung

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