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Besprechung CD

Hastedt Verlag und Musikedition HT 5334

1 CD • 76min • 1972, 1982, 1988, 1984

04.09.2009

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Das zahlenmäßige Verhältnis, das in der DDR zwischen Einwohnern und existierenden Orchestern herrschte, mutet aus heutiger Sicht vorbildlich an in Bezug auf eine blühende Musiklandschaft für die breite Bevölkerung. Andererseits sorgte eine unfreie Kulturpolitik für die weitgehende Abschottung vor der musikalischen Avantgarde. Überwog in der DDR also eine funktionale, angepasste Gebrauchsmusik?

Eine CD-Präsentation von „Zeitgenossenì des Musiklebens in der späten DDR hilft, Zwischentöne in solche Diskussionen zu bringen – das lässt aufhorchen angesichts einer noch immer sehr jungen Tradition bei der historiografischen Aufarbeitung von DDR-Vergangenheit.

Zu den tonangebenden „Zeitgenossen" gehörte der Komponist Fritz Geißler (1921-1984) , ein damals gefragter und im Zentrum des etablierten Betriebs stehender Kulturschaffender, Musikerzieher und Vorsitzender des Komponistenverbandes der DDR. Geißler hat es zu einem umfangreichen Œuvre gebracht. Dabei mutete sein eigenes Credo durchaus bescheiden an: Er wollte mit seinen Kompositionen vor allem ein „Angebot" machen, damit Solisten und Klangkörper ihr ganzes Können entfalten können.

Der nun im Bremer Hastedt-Verlag vorliegende Tonträger präsentiert einige von Geißlers bedeutendsten Kompositionen in Konzertmitschnitten nahmhafter DDR-Orchester. Als Sinfoniker favorisiert er die monumentale Großform, die er zu manchmal regelrecht zerklüfteten Satzgebilden auszuweiten weiß. Sie türmen sich auf vor den Grenzen zu einer wirklichen musikalischen Moderne, denn Geißler schöpft die Kraft vor allem aus spätromantischer Ästhetik, die er allerdings betont unkonventionell und dissonant zu durchkreuzen weiß! Er will seine Hörer fordern, denn das ist er den Menschen, die in Dresden oder Leipzig, also in Musikstädten mit einer so reichen Tradition leben, mehr als schuldig.

In aufbrausender Schroffheit und von heroischen Pathos durchdrungen, spielen deren Sinfonieorchester auf. Die fünfte Sinfonie mit ihrer zerklüfteten Satzstruktur ist der Stadt Dresden gewidmet. Dem stehen Erfurts Sinfoniker nicht nach, deren Uraufführung von Geißlers Concertino für Violoncello und kleines Orchester, den Solisten Hans-Joachim Schetzbach mit unzähligen virtuosen Herausforderungen konfrontiert. Da wechseln sich tänzerische mit kantablen, dann wieder wuchtig-expressiven Passagen ab. Geißler schrieb viel Vokalmusik, vertonte vor allem Lyrik. Gedichte in sinfonische Großformen einfließen zu lassen, schien das durchaus experimentelle Anliegen bei seiner elften Sinfonie gewesen zu sein. In seiner Gesamtwirkung grenzt dieses Anliegen ans latent Monströse. Texte von Johannes R. Becher, Georg Heym und Conrad Friedrich Meyer transportieren eine expressionistische Naturlyrik – allerdings propft Altistin Sneshinka Avramova diesen Texten viel zu viel Dramatik auf – wo lyrische Konzentration gefordert gewesen wäre.

Will man die Musik Fritz Geißler auf ihre zeitlose ästhetische Substanz werten, so vermittelt sein Konzert für Klarinette und Orchester aus dem Jahre 1983 den stärksten Eindruck bei dieser Auswahl. Solist Michael Simm kann sich in seinen Passagen als sinnlich aufspielender, hervorragend beweglicher Interpret entfalten in einem tänzerisch pointierten Dialog mit einem Orchestersatz, der sich durchaus auf subtilen Gestenreichtum versteht.

Die Orchester musizieren auf der Höhe ihrer Zeit, belegen die gründliche musikalische Arbeit, die hier im Dienste eines staatlichen Musiklebens geleistet wurde. Natürlich sind Spielkultur und Klang nicht frei von einer Patina der Vergangenheit. Die Tontechnik hat sich hier redlich bemüht, das Klangbild zu Gunsten von mehr Transparenz aufzuhellen.

Stefan Pieper [04.09.2009]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Fritz Geißler
1Sinfonie Nr. 5 00:24:30
3Concertino für Violoncello und kleines Orchester 00:12:46
5Sinfonie Nr. 11 für Altsolo und großes Orchester (nach Texten von Conrad Ferdinand Meyer, Johannes R. Becher und Georg Heym) 00:21:22
8Konzert für Klarinette und Orchester 00:17:43

Interpreten der Einspielung

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