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Besprechung CD

cpo 777 311-2

1 CD • 61min • 2007

18.02.2008

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Immer mehr Erstaunliches wird nach und nach aus dem umfangreichen Nachlass des holländischen Komponisten Julius Röntgen zutage gefördert. Weit über 500 Werke hat der 1855 in Leipzig geborene Spätromantiker, der mit Johannes Brahms und Edvard Grieg befreundet war und als Duopartner von Carl Flesch und Pablo Casals konzertierte, geschrieben, die bis heute nicht systematisch erfasst sind und von denen viele auch nie aufgeführt wurden. So auch das Werk Aus Goethes Faust, eine Art Kantate, die Röntgen – neben einer Vielzahl von anderen Werken, darunter zwei Goethe-Sinfonien – in seinem äußerst produktiven vorletzten Lebensjahr (er starb 1932 in Bilthoven bei Utrecht) komponierte, und die ihre Uraufführung erst im Juni 2007 in Enschede in Zusammenhang mit der vorliegenden Aufnahme erlebte. Für Röntgens stupende Beherrschung des kompositorischen Handwerks spricht die Tatsache, dass er das gut einstündige Werk (mit Ausnahme von einer der zwölf Nummern) in der unglaublich kurzen Zeit von vier Tagen zu Papier brachte.

Wie schon der Titel andeutet, geht es hier weder um eine zusammenhängende Adaption des Faust-Stoffes noch um gedanklichen Tiefsinn. Vielmehr hat sich Röntgen einzelne Textstellen aus Goethes Dichtung herausgesucht, die durch plastische Ausdrucksweise seine musikalische Phantasie besonders anregten, und diese kaleidoskopartig zu einem Ganzen gefügt, dessen Zusammenhang rein musikalisch ist. So finden sich vielerlei motivische Querverbindungen zwischen den kurzen Chor- und Solonummern, die von ganz unterschiedlichem Charakter sind. Volkstümlich Zupackendes in der Szene Vor dem Tor oder Branders Lied in Auerbachs Keller steht neben der Archaik von Gretchens Lied vom König in Thule, der sanften Idylle von Fausts Traum und der Skurrilität von Mephistos Auftritten. Letzterer singt sein Flohlied blasphemisch auf die Melodie des Chorals O Haupt voll Blut und Wunden, worauf der Studentenchor mit einem kunstvoll fugierten Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen! antwortet.

Die Besetzungsbezeichnung „für Orchester, Orgel, Chor und Solisten“ lässt keinen Zweifel daran, dass in erster Linie das Orchester Träger des musikalischen Geschehens ist. Ihm ist der Prolog im Himmel mit ätherischen Streicherklängen und feierlichen Blechbläser-Fanfaren anvertraut, auf den später der finale Chorus Mysticus abrundend zurückgreift. Als einzige Figur des Dramas tritt Faust selbst nicht singend, sondern nur im orchestralen Gewand (Fausts Anrufung an den Erdgeist) auf. Auch die Walpurgisnacht ist größtenteils dem Orchester – mit Anklängen an Berlioz’ Symphonie fantastique – überlassen.

Das hervorragende, von David Porcelijn inspiriert geleitete Netherlands Symphony Orchestra aus Enschede ist denn auch der stärkste Aktivposten dieser Einspielung. Von den Solosängern hinterlässt die Sopranistin Machteld Baumans den nachhaltigsten Eindruck, während bei den Männerstimmen kleinere Abstriche zu machen sind und beim Chor der Nationalen Reisoper ein unkontrolliertes Vibrato der Frauenstimmen mitunter störend wirkt. Insgesamt eine sehr lohnende, interessante Ausgrabung, die im Reigen der durch den Faust-Stoff inspirierten musikalischen Werke einen beachtlichen, eigenständigen Platz einnimmt.

Sixtus König † † [18.02.2008]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Julius Röntgen
1Aus Goethes Faust

Interpreten der Einspielung

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