Valentin Silvestrov Piano Works
hänssler CLASSIC 98.229
1 CD • 75min • 2006
03.08.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Werke des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov (Jg. 1937) sind bei uns vergleichsweise unbekannt; allenfalls der Dirigent Andrey Boreyko hat sich für einige seiner Sinfonien eingesetzt. Umso mehr ist der außerordentlichen Pianistin Jenny Lin für dieses Album mit Klavierstücken Silvestrovs zu danken, das sie Nostalghia nennt. Auch das Cover hat sie selbst entworfen – eine Schneekugel mit einer Person darin, die Spuren im Schnee zieht, eingebettet in eine Winterlandschaft. Das passt gut zu den hier aufgenommenen Stücken, die man als “poetische Klangbilder” bezeichnen könnte. Hardcore-Avantgardisten und Darmstadt-Elfenbeintöner wären vielleicht entsetzt über Silvestrovs Musik, die in der heutigen Zeit ungeniert die nicht versiegenden Möglichkeiten von Melodiebildungen erkundet. Silvestrov hat dabei eine ganz eigene Tonsprache entwickelt, die einerseits geprägt ist von einer enormen Weiträumigkeit, andererseits von einem ungeheuren Reichtum von Elementen auf der Makro-Ebene. Jenny Lin spielt diese kleinen Stücke in einer selbst zusammengestellten Reihenfolge, die eine natürlich wirkende, zwingende Dramaturgie ergibt. Immer wieder gibt es geradezu magische Momente – etwa, wenn sich der schlichte, von Silvestrov “bearbeitete” Kuppelwieser-Walzer von Franz Schubert (Tr. 4) auf ganz natürliche Weise in die Klanglandschaft ergießt. Allmählich erschließt sich dem Hörer, dass wir auf eine Zeitreise durch die Musikgeschichte geschickt werden. Den Dialogen mit Schubert folgen bald Stücke, die sich mit den Bagatellen der Beethoven-Zeit und den Miniaturen Chopins auseinandersetzen; die Drei Walzer (Tr. 15–17) beleuchten die zweite Wiener Schule. Dabei wird die Faktur der Stücke immer dichter. Die zweisätzige, 16-minütige Sonate Nr. 1 (Tr. 18 und 19) scheint diese Entwicklung noch einmal in konzentrierter Form nachzuzeichnen. Als Epilog erklingt das Stück Der Bote, das der Komponist dem Andenken seiner früh verstorbenen Frau Larissa Bondarenko widmete. Vorsichtshalber anzumerken wäre noch, daß Silvestrov ausgesprochen fantasievoll Pedal- und Echoeffekte verwendet, die der Musik einen eigenartig schwebenden, obertonreichen Charakter geben. Die Tontechniker des legendären Hans Rosbaud-Studios in Baden-Baden haben Grandioses geleistet, um den vom Klavier erzeugten Klang so natürlich wie möglich einzufangen – wie leicht etwa wäre es, mit nachträglicher Bearbeitung so herrliche Effekte zu erschlagen wie etwa das plötzliche Innehalten im ersten Satz der Klaviersonate (Tr. 18, ca. 2’08)?! Jenny Lin bildet einen atemberaubenden, grandiosen Spannungsbogen über 75 Minuten. In puncto Klang und Intensität steht dieses Album den gerühmten, preisgekrönten Einspielungen von Herbert Henck für das Label ECM in nichts nach – eine sensationelle Produktion!
Dr. Benjamin G. Cohrs [03.08.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Valentin Silvestrov | ||
1 | Nostalghia | 00:04:30 |
2 | Zwei Stücke für Klavier | 00:06:26 |
4 | Zwei Dialoge mit Nachwort für Streichorchester und Klavier (2001/2002) | 00:09:32 |
7 | Drei Postludes (for Jenny Lin) | 00:05:18 |
10 | Drei Stücke für Klavier | 00:12:15 |
13 | Zwei Stücke für Klavier | 00:08:58 |
15 | Drei Walzer | 00:03:56 |
18 | Klaviersonate Nr. 1 | 00:16:38 |
19 | Der Bote für Synthesizer, Klavier und Orchester (1996/1997) |
Interpreten der Einspielung
- Jenny Lin (Klavier)