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Besprechung CD

J. S. Bach

Organ Works Vol. 19
Works of Doubtful Authenticity II

cpo 777 186-2

1 CD • 73min • 2005

05.03.2007

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 6
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Die Debatte um die opera dubia, die sogenannten zweifelhaften Werke, hält die Musikwissenschaft seit langer Zeit in Atem und hat viel zur Entzauberung der Musikgeschichte beigetragen. Die Liste von Stücken wächst, die man lange Zeit der Produktion eines der geliebten großen Meister zugerechnet hat, aber schließlich aufgrund wachsender Zweifel oder aber sogar schlagender Beweise einem anderen, meist „kleineren“ Komponisten zuweisen muß; am Beginn der jüngsten Folge Nr. 19 von Gerhard Weinbergers Gesamtaufnahme der Bach’schen Orgelwerke findet sich sogar die legendäre Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, eines der berühmtesten Werke Bachs überhaupt und auch eines, das nicht wenige, später renommierte Organisten überhaupt erst zu ihrem Instrument gebracht hat, als „Werk von zweifelhafter Echtheit“.

In unzähligen Bearbeitungen existiert die Toccata und Fuge, sogar von den Trickfilmzeichnern Walt Disneys wurde sie verarbeitet, und nun soll sie möglicherweise von einem anonymen Kleinmeister stammen? Gemach, gemach: Der Bach-Freund kann nach wie vor ruhig schlafen. Die musikwissenschaftlichen Zweifel, die – nicht ganz zu Unrecht – auf einigen stilistischen Auffälligkeiten beruhen, sind zwar kaum regelrecht zu widerlegen – dafür ist die Quellenlage einfach zu schlecht. Aber genau deswegen können die Zweifel auch schwer in eine veritable Aberkennung des Werkes umgemünzt werden. Schließlich geht die nur scheinbar kriminalistische, in Wahrheit genügend pedantische Frage, ob er´s nun war oder nicht, weit an der urheberschaftlichen Zuschreibepraxis des früheren 18. Jahrhunderts vorbei: In mehr als einem verbürgten Fall hat Bach die Abschrift eines fremden Werkes mit seinem Namen unterzeichnet, damit gleichsam seinem Werkverzeichnis eingemeindet, und schließlich hat auch die jahrhundertelange Rezeption der Toccata und Fuge als einer Bach’schen Hervorbringung dem Werk einen eigenen Wert verliehen: Es ist mindestens genauso wahrscheinlich von Bach, wie es von einem anderen Meister stammen könnte.

Die so interessante wie beunruhigende Frage wäre nicht weiter der Rede wert, wenn man nicht den Eindruck haben könnte, Gerhard Weinberger hätte bei seiner Interpretation gerade dieser so charismatischen Musik weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Er scheint, wenn nicht vor der auktorialen Zweifelhaftigkeit, aber doch wenigstens vor der Allbekanntheit der Toccata und Fuge zu kapitulieren. Die auffällig wenig brillante, mittenlastige Registrierung stört nicht so sehr wie der geschäftsmäßige, quasi abhandelnde Vortragsgestus. Wenn die vielfältigen musikologischen Einlassungen eines gezeigt haben, dann dies, daß zumindest die Toccata auf einen überwältigend wirkungsvollen improvisatorischen Einfall zurückgeht – spielt man dies bloß nach Notentext, geht man wohl am Geist des Stückes vorbei.

Auch dieser Einwand freilich ist wiederum nur gültig, wenn man eine zupackende, ideenreiche Deutung dieses Stückes erwartet; mancher Hörer wird vielleicht gerade die Nüchternheit, nicht zuletzt die dunkle Klanglichkeit, dieser Produktion Weinbergers zu schätzen wissen. Nimmt man die Interpretation der Toccata aus, ist es auf’s Ganze gesehen die Absicht Weinbergers, die angeblich dubiosen Stücke so überzeugend und bruchlos vorzustellen, daß Hintergedanken an eine zweifelhafte Authentizität gar nicht erst aufkommen können. Trotzdem der Fortgang der Platte sich um so überzeugender gestaltet, je unbekannter die Werke sind: Es bleibt der Eindruck, daß Weinberger zumindest in dieser Folge der Totale nicht gerade das anregendste Bach-Spiel gezeigt hat, das zur Zeit gepflegt wird.

Prof. Michael B. Weiß [05.03.2007]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Toccata und Fuge d-Moll BWV 565
2Vater unser im Himmelreich BWV 762
3Was Gott tut, das ist wohlgetan BWV Anhang II 67
4Liebster Jesu, wir sind hier BWV 754 (Choralbearbeitung)
5Jesu, meine Freude BWV Anhang II59
6Fuga in C BWV Anhang II59
7Partita Herr Christ, der einige Gottes Sohn BWV Anhang II77
8Herr Christ, der einig Gottes Sohn BWV Anhang II55
9Christus, der uns selig macht BWV 747
10O Herre Gott, dein göttlichs Wort BWV 757
11Machs mit mir, Gott, nach deiner Güt BWV deest
12Fantasia sopra Wir glauben all an einen Gott BWV Anhang II69
13Partita Wenn wir in höchsten Nöten sein BWV Anhang II78
14Fantasie und Fuge in a BWV 561

Interpreten der Einspielung

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