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Besprechung CD

OehmsClassics OC 558

1 CD • 75min • 2005

24.05.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Was haben wir jetzt etwas Älteren, in den späten 70er Jahren noch naseweisen Berufshörer und -Schreiber nach deutschen Pianisten gesucht, die sich den Werken Liszts und Rachmaninoffs gewachsen, besser noch: gewogen fühlten. Liszts Werke – mit Ausnahme der Sonate in h-Moll und gleichsam kulturgermanistisch ausgewählter Sonderstücke aus den „Années“ – waren tabu, waren verschrien als akustischer Ausbund alles Äußerlichen; und schon gar nicht mochte man in den musisch orientierten Redaktionen alles Bearbeitete, Transkripierte und Paraphrasierte goutieren. Originales war gefordert – und unvergessen war die Einvernahme des Les Préludes-Themas für die Zwecke des Wehrmachtsberichtes in unseligen Kriegszeiten.

Aber auch die Werke Rachmaninoffs standen in Deutschland Jahrzehnte sozusagen unter Quarantäne. Aus älteren Zeiten der Klangaufzeichnung kenne ich nur eine (wüste!) Aufnahme des d-Moll-Konzerts mit Gieseking – nichts ist mir bekannt aus den Händen bedeutender deutscher Musiker wie Backhaus, Kempff , Richter-Haaser, Bohnke, Seemann oder Elly Ney. Und auch die schweizerischen Größen Schnabel und Edwin Fischer haben – wenn ich mich nicht irre – keine Rachmaninoff-Lüste auf Tonträgern deponiert. Dann kamen jüngere deutsche Pianisten mit Wettbewerbserfolgen wie Christoph Eschenbach. Rachmaninoff? Fehlanzeige! Die Russen, die Südamerikaner, auch technisch begnadete, ästhetisch unvoreingenommene Amerikaner (Van Cliburn, Gary Graffman, Leon Fleisher, André Watts) zeigten erhebliche Vorlieben für diesen Autor. Ich zögere, ihn als wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen, aber wenn man etwa die raffiniert gesetzten, melodisch herzzerreißenden elegischen Stücke der Sammlung Opus 3 hört, dann möchte man im Hinblick auf Webernsche- und Schönbergsche Ausgezehrtheit dem mutig-konservativen Russen doch einen oberen Platz in der imaginären Rangliste des Komponierens im 20. Jahrhundert gewähren.

Lieber Bernd Glemser: ich entschuldige mich für diese Ausschweifung, aber Ihr kraftvolles, im Detail liebevolles Rachmaninoff-Spiel hat mich zu diesen rückbezüglichen Fußnoten verführt. Seit Vladimir Ashkenazys früher Columbia-Aufnahme habe ich die bald nachdenklichen, bald impulsiven Corelli-Variationen nicht so klug formatiert, aber auch so gebunden in ihrem Auf- und Ab des variierenden Zögerns und des Überschwanges erlebt. Glemser weiß mit den krachenden und den streichelnden Einheiten der b-Moll-Sonate umzugehen, er übertreibt nicht, aber er wirft sich auch im rechten Moment in diese heiße Musik, die für echte Pianisten, also musikalische Fleischfresser geschrieben ist und nicht für pianistische Vegetarier mit Vorbehalten gegenüber allzu kalorienreicher Kost (ich denke hier an András Schiff).

Dankenswerterweise hat Bernd Glemser die beiden Alternativversionen der Stücke op. 3 Nr. 3 und 5 eingespielt – Beispiele (wie im Liszt-Repertoire) für die selbstkritische Haltung eines Komponisten, der stets auf der Suche nach dem Besseren, nach dem Gültigeren war. So ist eine der besten Rachmaninoff-Einspielungen zu empfehlen vor dem Hintergrund magerer Rachmaninoff-Pflege in Deutschland, aber auch im Wettbewerb der internationalen Klavierkunst.

Vergleichsaufnahmen:

Sonate op. 36: Kocsis (Philips), Horowitz (RCA), Weissenberg (RCA), Ponti (Vox), Ogdon (EMI); Corelli-Variationen op. 42: Ashkenazy (Columbia, Decca

Peter Cossé † [24.05.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sergej Rachmaninow
1Variationen über ein Thema von Arcangelo Corelli op. 42
2Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 36
3Morceaux de fantaisie op. 3 (Fünf Fantasiestücke, 1892 - Élégie op. 3 Nr. 1, Prélude op. 3 Nr. 2, Mélodie op. 3 Nr. 3, Policinelle op. 3 Nr. 4, Sérénade op. 3 Nr. 5)
4Mélodie E-Dur op. 3 Nr. 3
5Serenade op. 3 Nr. 5

Interpreten der Einspielung

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